Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




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17. Juli 2007

Ein Dach für das Dach



Mein Elternhaus bekommt ein neues Dach.
Wie klein das ursprüngliche Haus nun aussieht.
Wie groß war es in meiner Kinderzeit!
Wieviele Menschen hat es beherbergt: die Großeltern, die Eltern, drei Kinder und zeitweilig auch noch meine geliebte Cousine, dazu im kleinen Stall die Tiere .
Es war das kleinste Haus auf dem Gehöft und das letzte Haus am schmalen Weg, der in die Wiesen führte. Es rauschten Buchen neben ihm und 3 Linden warfen Schatten auf sein Dach.
Hier waren wir glücklich.
Unter diesem Dach wurde uns Kindern all das vermittelt, was uns heute noch wichtig ist:
dass Geld nicht alles ist, dass es andere Werte gibt: Achtung vor Mensch und Kreatur, auch Achtung vor dem Alter. Humanität und Toleranz wurde uns gelehrt. Bildung ließ man uns angedeihen und die Liebe zu Büchern und zum Lesen. Wie anders sollte man zwei wilde Zwillinge ruhig bekommen, als mit einem Buch vor der Nase? Dass dabei der Wunsch erwachte, selbst zu schreiben, war eigentlich nur eine Folgerung. Wieviel Glück, Freude und Zufriedenheit wurde damit in mein Leben gebracht!
Es war ein Glück für mich, unter diesem Dach aufzuwachsen, behütet von der kleinen Großfamilie. Es ergab sich, dort Leben und Sterben hautnah zu erleben, zu sehen, wie die Großeltern aufgebahrt im Sterbezimmer lagen.
Das Dach hat uns alle unter seine Obhut genommen. Und nun bekommt das Dach ein neues Dach, bevor es abgerissen wird. Aber die Grundmauern bleiben stehen und damit all das, was sie für mich bedeuten: Geborgenheit und die Erinnerung an die Eltern, die Großeltern, meine Geschwister und an eine glückliche Kindheit.
Danke, lieber Zwilling, dass Du das Haus behütest.
(c) Annette Gonserowski

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