Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.








20. Dezember 2007

Frohe Weihnachten

Ich wünsche allen Freunden und Lesern meines Blogs
ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr 2008.

Ich möchte diese stille Zeit um Weihnachten nutzen, um selbst in diese Ruhe einzutauchen, die Hektik abzustreifen und mich zu besinnen.

Bis im neuen Jahr!

Herzliche Grüße
Annette

19. Dezember 2007

Unruhe




Nichts nützt
der weiße Schnee,
nichts nützt
des Himmels Blau:
ich bin ein Maler
ohne Pinsel,
bin voller Worte,
doch ohne Sprache,
steh
neben mir
und find mich nicht.
In der Ruhe
macht sich meine Hektik
breit.

(c) Annette Gonserowski

18. Dezember 2007

Advent




Auch ich
komm aus dem Winterwald,
habe dort
kein Christkind gesehen.
Doch die erstarrten Zweige
trugen Knospen,
über vereiste Gräser
stolperten meine Gedanken,
dem pastellnen Himmel,
der sie auffing,
ließen sie
ein wenig
Schwere zurück.

(c) Annette Gonserowski

17. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene X


Restaurant auf den Klippen


Die Promenade von Denia Hafen bis zu den Klippen
der Punta Negra

Sie gehen am Meer.
Viele Menschen sind heute auf der Promenade, die sich vom Hafen des Städtchens entlang des Meeres zieht, viele Kilometer, bis zum Fischrestaurant, das auf den Klippen steht, dort, wo der Weg endet und eine schroffe Felswand steil in das Meer fällt.
Sie schauen auf das Meer: es ist ruhig in der kühlen Dezemberluft, leise Wellen verebben plätschernd am Strand. Sie scheinen zu murmeln.
Am Himmel die untergehende Sonne, die das Meer in ein pastellenes Licht taucht, zartrosa und silbern.
Einzelne Möwen sitzen auf den Klippen, andere fliegen tief über den Wellen, um eine leichte Beute zu erhaschen. Vergeblich warten sie auf die Fischerboote, die sonst in langer Reihe, wie eine aufgereihte Perlenschnur, Richtung des Hafens fahren. Heute ist Weihnachten und die Boote liegen verankert im Hafen.
Sie gehen weiter am Meer. Vor ihnen flanieren drei spanische Damen, vornehm in ihrer Eleganz, den langen, wollenen Fransenschal leicht über die Schulter geworfen.
Fünf Mädchen überholen sie, redend und lachend. Sie haben sich eingehakt, gehen in breiter Reihe über die Promenade. Fröhlich grüßen sie die Fremden, die grüßen zurück.
Sie bleiben nah, ihr Lachen weht hinüber zu ihnen. Sie fangen den Blick auf, den ihnen die Fröhliche über die Schulter zurück zuwirft.
Die Mädchen werden leichtfüßiger. Man spürt ihre Freude, sie lösen die Arme voneinander, gehen beschwingter. Die Mittlere beginnt: geht im Takt des Flamenco. Er schwappt über zu den Anderen. Schon gehen sie tanzend, die Hände filigran dem Himmel dargeboten.
Sie gehen dahinter, spüren den Tanz, sehen die Mädchen, die Fröhlichkeit erreicht sie, bleibt bei ihnen, als die Mädchen, schneller als sie, an der nächsten Wegbiegung ihren Blicken entschwinden.

(c) Annette Gonserowski

16. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene IX



In der Margarethenkirche sind die Lichter am großen Weihnachtsbaum neben der Kanzel erleuchtet. Nur vereinzelt brennen elektrische Lampen im Gotteshaus. Es haben sich unzählige Gläubige versammelt, um das Fest der Geburt Jesus Chistus zu feiern. Alle haben den Kopf im Gebet gesenkt, nur die Kinder schauen verstohlen auf die Lichter des Weihnachtsbaumes. Die andächtige Stille endet mit dem vielstimmigen Gesang des Liedes "Oh, Du fröhliche...." Auch die Zwillinge singen so laut es ihre kleinen Stimmen hergeben, diesen Lobgesang. Kaum, dass er geendet hat, greifen sie nach den Händen der Eltern und versuchen aus der Bank herauszudrängen, hinaus aus der Kirche.
Voller freudiger Erwartung gehen sie mit den Eltern durch die klirrend kalte Nacht in Richtung des Elternhauses. Bestimmt 3 Kilometer müssen sie durch den Schnee stapfen, den Berg hinauf und herunter, den nächsten wieder hinauf und durch den Hohlweg hinunter, bis sie das Gehöft erreicht haben, auf dem das Elternhaus steht. Sie gehen mitten auf der Hauptstraße, die an diesem Abend kaum befahren ist. Der Bürgersteig, der nur bis zur Abbiegung zum zweiten Berg vorhanden ist, liegt unter tiefem Schnee. Nur wenige Häuser säumen den Weg, bevor dieser nach dem letzten Haus auf der Anhöhe sich weiter zwischen Wiesen schlängelt.
Das Elternhaus ist das letzte des Gehöftes - hinter ihm breiten sich Wiesen und Äcker aus.

Den Tisch in der Wohnküche hat die Mutter schon vor dem Kirchbesuch gedeckt und die Tür zum Wohnzimmer fest verschlossen. Auf dem Herd stehen die Töpfe mit dem Heiligabend-Menü - auch in diesem Jahr das Gleiche: eine köstliche Rindfleischsuppe mit Eierstich, Schweinebraten mit Pilzen, Salat.
Die Geduld der Zwillinge wird auf die Probe gestellt. Das Stillsitzen am Tisch fällt ihnen schwer und das gemeinsame Essen wird zur Tortur. Erst danach wird die Tür zum Wohnzimmer geöffnet. Die Mutter versteht ihre Zwillinge. Heute brauchen sie nicht gemeinsam das Geschirr abtrocknen. Mutter wird es später allein spülen.
Endlich erheben sich Vater und Mutter und gehen in das Wohnzimmer. Nun wird Vater die Kerzen am Weihnachtsbaum entzünden und Mutter die Decke vom Gabentisch nehmen. Wenn das Glöckchen erklingt, dürfen sie in das Zimmer kommen. Als die Großmutter noch lebte, hat sie mit den Zwillingen gemeinsam gewartet und sie aufmerksam gemacht, dass das Christkind mit der Himmelsziege angekommen war - und das Rascheln des Ilexbusches am Fensters es bezeugte. Dann hatten sich die Kinder enger an die Großmutter gekuschelt und voller Erwartung gelauscht. Die eigene Ziege im Stall wurde am nächsten Tag noch aufmerksamer betrachtet, denn auch sie hatte Besuch dieser Himmelsziege gehabt.

Und schon erklingt das Glöckchen, das verkündet, dass das Christkind da war. Mit roten Wangen drängen die Zwillinge in das Zimmer. Der *große* Bruder geht hinter ihnen. Noch während sie ein Stück der Weihnachtsgeschichte erzählen, schauen sie verstohlen zum Gabentisch.
Endlich dürfen sie an den Gabentisch treten: der Junge bekommt das Buch, das er schon beim Stöbern in den Schränken vor Weihnachten gefunden hatte. Er hatte es in einen anderen Umschlag gelegt und heimlich gelesen. Nun wird er es noch einmal lesen. Sie bekommt auch ein Buch und den so sehnlicht gewünschten Baby Doll, einen Schlafanzug mit kurzer Hose, den die Mutter selbst genäht hat. Auch dicke Winterschuhe stehen neben den Büchern, für jedes Kind ein neues Paar. Und warme Socken.
Jedes Kind bekommt einen Teller mit Nüssen, Äpfeln, einer Apfelsine, etwas Marzipan, Schokolade, Lebkuchen und Schokoladenfiguren.
Das ist alles. Oder? Die Mutter schaut so eigenartig in Richtung der Fenstergardine. Das Mädchen schaut den Bruder an. Der hebt die Schulterblätter. "Weiß nicht." Die Mutter lächelt. "Ja, wollt Ihr denn nicht mal schauen?" Vorsichtig heben die Zwillinge die Übergardine an: und da stehen sie, rechts und links an an jeder Seite des Fensters: lange, hölzerne Ski. Für jedes Kind ein Paar. Und Stöcke aus Bambus mit einem runden Teller und einer Eisenspitze! Die Kinder jauchzen! Ihre Augen strahlen. Sie laufen zu den Eltern "Danke". Dass die Skier unendlich lang sind, viel länger als jedes Kind misst, dass sie mit diesen Skiern noch zusammenwachsen müssen - das spielt keine Rolle. Die Kinder sind selig.
Draussen vor der Tür rieselt der Schnee, wird am anderen Morgen bereit sein, die Spur der Kinder aufzunehmen, die mit dem großen Bruder zum Hang zwischen den Wäldern ziehen werden, um zum ersten Mal auf den Brettern zu stehen, zu fallen und wieder aufzustehen. Dann wird die Küche am Abend voller nasser Schneekleidung über dem Ofen sein und glückliche Kinder erschöpft einschlafen.

(c) Annette Gonserowski

15. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene VIII


Es ist heiliger Abend.
Vor wenigen Stunden sind sie nach langer Reise in Spanien angekommen. Die Straßen waren leer, als sie bei untergehender Sonne nach langer Fahrt ihr Ziel erreichten.
Nun stehen die Koffer ausgepackt im Haus.
Sie sind hungrig.
Sie gehen durch den Hafen. Viele Restaurants säumen den Weg. "Cerrado" - geschlossen. Tür um Tür trägt dieses Schild.
Ein Restaurant hat die Tür weit geöffnet. Erleichtert treten sie sein:"Tut mir leid", bedauernd zuckt der Wirt mit den Schultern, "wir sind voll."
Sie gehen weiter und weiter, der Hunger und die Müdigkeit zerren an den Gedanken.
Im chinesischen Restaurant finden sie Einlass. Nicht das Restaurant, das sie sich wünschten. Groß und unpersönlich bietet es Gastraum. Sie werden freundlich begrüßt und bewirtet. Nirgendwo der Hauch des heiligen Abends. Popmusik schallt aus den großen Lautsprechern an allen vier Ecken des Raumes. Die meisten Stühle sind leer. Nur sie und wenige Tische weiter eine spanische, große Familie speist hier an diesem Abend.
Tristesse breitet sich aus, die Illusion des Weihnachtszaubers verfliegt.
Am Nebentisch scharren Stühle, werden ein wenig zur Seite gerückt. Da beginnt Eine zu klatschen, dann klatscht eine weitere, dann klatschen alle im Takt des Flamenco. Fröhlichkeit erfasst die Runde, schwappt hinüber zu ihnen. Auch sie beginnen zu klatschen, erst zögernd und leise. Mutiger und mutiger werden sie lauter, werden eins mit den Anderen. Sie klatschen im Takt, sie lachen gemeinsam, Grenzen fallen, sie sind eins.

(c) Annette Gonserowski

14. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene VII








Vor dem Stall des hannoverschen Pferdezüchters stehen sie erwartungsvoll beisammen.

Der Züchter tritt aus dem Stall, führt ein Warmblutpferd an der Hand.
Ein herrlicher Fuchs, dessen Fell im Licht der Dezembersonne kupfern schimmert.
Es wirft den Kopf hoch und wiehert, dass seine Mähne im Wind weht. Aus seinen Nüstern steigen Atemwolken in die kalte Luft. Es tänzelt unruhig.
"Es ist ein Juwel", sagt der Züchter, "und noch vollkommen roh." Das bedeutet, es ist noch nicht angeritten.

Sie schaut das Pferd an. Eine Schwingung des Pferdeherzens hat sie erreicht, sie schwingen im Gleichmaß. Sie schaut die Augen des Pferdes an: sie sind trotz des Gebarens ruhig.
Das Pferd mustert sie. Sein Kopf ist stark und eine breite Blesse zieht sich bis über die Nüstern. Drei seiner Fesselbeine sind weiß, nur das vordere linke ist fuchsfarben.
"Es ist aber bunt", sagt ihr Begleiter.
"Ja, ein markantes Pferd mit Ausstrahlung", erwidert der Züchter. "Es wird ein gutes Dressurpferd. Es hat drei gute Grundgangarten und ist im Takt."
Er lässt den Strick länger, trabt mit ihm über den Hof. Und wirklich: das Pferd läuft leichtfüßig und taktvoll, kaum berühren die Hufe den Boden, sein Rücken schwingt elastisch.

Nicht erst später, nach dem freien Lauf des Pferdes in der Reithalle, bei dem es zu schweben scheint, ist es schnurstracks in ihr Herz gelaufen.
Das Pferd spürt diese Anziehung, reibt seinen Kopf an ihrer Schulter, lässt sich tätscheln und streicheln.

Der Preis - er wird überwunden - das Pferd wird ihres.

Die Mutter des Züchters, alt und gebückt, hält selbstgebackene Plätzchen bereit. In der guten Stube, rechts von der Tenne, ist der Kaffeetisch gedeckt. Dort steht auch das alte Klavier. Sie öffnet den schweren Deckel, legt die alten, faltigen Hände auf die Tasten des Klaviers, man sieht ihnen die harte Arbeit an. Doch sie fliegen leicht über die Tasten, schon erklingen Töne, rein und klar ziehen sie durch den Raum, während draussen vor dem Fenster Flocken leis zur Erde rieseln: der Schneewalzer. Diesen wird die alte Dame von da an immer spielen, gleich zu welcher Jahreszeit die Käufer den Züchter ihres Pferdes besuchen.
"Oh Du fröhliche", spielt sie, bevor sie in den Stall gehen, das Pferd auf den Hänger verladen und sie es mitnehmen in seine neue Heimat, wo es sein ganzes Leben lang bleiben und erfolgreich mit seiner Reiterin sein wird.
Die Mutter des Züchters weiß nichts von der Zukunft des Pferdes, weint bitterlich, als das Auto vom Hof rollt, das Pferd wiehernd Abschied nimmt.

(c) Annette Gonserowski

13. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene VI


Rathaus in Wien

Die Kärntner Straße ist weihnachtlich geschmückt. Viele Menschen sind an diesem Freitag vor dem ersten Advent unterwegs.
Sie reihen sich in den Strom der eilenden Menge ein.
Zum ersten Mal in Wien!
In Wien ,dieser Stadt ihrer Träume. Wien, Stadt der tanzenden Pferde, der Kaiser und Könige, der rauschenden Ballkleider, Stadt der Dichter und Maler. Wien, Schmelztiegel von Ost und West, Ursprung der Kunst und des Grauens- Wien, Stadt der Träume.
Sie lassen sich treiben in Richtung des Stephansdomes, der erhaben inmitten des ersten Bezirks steht - in seiner Nähe die vielen Kirchen: die Peterskirche, die Franziskanerkirche, die des Deutsch Ordens und viele andere. Kirchen, üppig in ihrer Pracht. Die Auslagen der Geschäfte in den golden und glitzern geschmückten Fenstern machen atemlos in ihrer Vielfalt. Dinge, die in ihrer kleinen Heimatstadt unerreichbar schienen, nach denen sie suchen und sie nicht finden würden, liegen hier vielfach nebeneinander und verlieren das Besondere. Nicht wegen der Kirchen, nicht wegen der schönen Dinge sind sie in dieser Stadt. Sie gehen auf den Wegen der Dichter und ihrer Freunde. Suchen ihre Spur inmitten der breiten Straßen, auf engen verwunschenen Pfaden, in Gassen und Hinterhöfen. Im kleinen Stadtteil, dem fünften Bezirk, Margareten heißt er, wie seine schmucklose Kirche, werden sie fündig. Hier war er Kind. Hier finden sie seinen Weg. Hier bewahrten die Pflastersteine seinen Schritt, Der Baum auf dem verlassenen Schulhof in der Volksschule in der Margaretenstraße 103, raunt seinen Namen. Hier klingt noch sein Lachen zwischen den alten Häusern und all seine Sehnsucht umhüllt sie.

Die Stufen zum Lesesaal der Universität gehen sie voll Andacht, betreten ergriffen den Lesesaal, sehen die Leseplätze, die brennenden Lampen darauf: einst spiegelten sie seinen Schatten auf blanker Tischplatte. Im Arkadengang die Büsten der Gelehrten, unter ihnen Hilde Domin, Schwester im Geist. Kastalia im Innenhof, Nymphe der Dichtung und Weisheit, schweigt in ihre Gedanken hinein.

Im Café Hawelka enges Stimmengewirr, Rauch und Worte und lange Vergangenes. Luftholen im Griensteidel. Der Pendler am Nebentisch pendelt das Essen aus, im Schwingen des Pendels schwingen seine Gedanken zu ihnen und mit ihnen die der Dichter, die sich vor Urzeiten hier trafen, deren Bücher noch heute in den Buchläden der Stadt zu finden sind.
Im Musikhaus, in der Oper, die uralten Töne von Mozart und Strauß, der Duft der Damen des Hofes - wie lange schon dort.
In der U-Bahn sieht sie ihr Gesicht in der spiegelnden Scheibe: wie nachdenklich die Augen - wo ist das Lächeln um ihren Mund?
Traumlos und dunkel die Nacht, durchdrungen vom Rattern der ersten Straßenbahn im Morgengrauen. Auf dem Bürgersteig vor dem Hotel nahende Schritte, verhalten für einen Moment vor der Tür, sie gehen weiter, verklingen mit der Nacht. Sie wünschte es wären die seinen gewesen.

Das Flugzeug startet in den verhangenen Himmel, lässt zurück das erwachte, adventsglitzernde Wien, trägt sie zur Heimat, zum lichten Tag, trägt auf seinen Flügeln ihre Sehnsucht, die niemals vergeht.

(c) Annette Gonserowski

12. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene V



Vorweihnachtszeit. Vor wenigen Wochen ist der Vater gestorben.
Sie denkt an ihn, als sie über den Weihnachtsmarkt geht.
Die Straße ist voller Menschen, die sich in Vorfreude auf das Weihnachtsfest ins vorweihnachtliche Getümmel gestürzt haben. Aus den mit Tannenzweigen geschmückten Buden dringt der Duft von gerösteten Mandeln und gebratenen Champignons.
Aus dem Lautsprecher schallt das Lied „Oh Du fröhliche“. Die Menschen um sie herum lachen und scherzen, stehen Glühwein trinkend an dem Stand des Heimatvereins.
Sie wird weitergeschoben auf ihrem Weg. Sie fühlt sich allein inmitten der eilenden Menge.
Am Ende der Straße, dort, wo sich der Weihnachtsmarkt weiter verteilt in die angrenzenden Straßen, verlässt sie ihn fluchtartig.
Eilt nach Hause, zu ihrem Hund, legt ihm das Halsband um, zieht ihre dicken Wanderstiefel an, die wärmende Daunenjacke, stülpt über den Kopf die Kapuze und geht in die Stille des frühen Nachmittages.
Über dem Berg das flache Licht der Wintersonne. Die Wolken ziehen eilend über die Tannenwipfel. Sie geht allein mit ihrem Hund den Berg hinan.
Hier ist die Stille, nach der sie sich sehnte.
Sie taucht hinein, lässt sich von ihr umhüllen, spürt, wie die Gedanken ruhiger werden.
Stille, nichts als Stille – nur das Rauschen des Windes in Tannenwipfeln.
Stille – spürbare Stille. Spürbare Nähe derer, die sie liebt und die nur scheinbar nicht bei ihr sind.

(c) Annette Gonserowski

11. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene IV




Sie sitzt am Tisch im Esszimmer. Vor ihr auf dem Tisch brennt am Adventskranz die zweite Kerze.
Durch die Terrassentür fällt das flache Licht der untergehenden Sonne. Am Vogelhäuschen auf der Terrasse picken letzte Vögel die Körner. Bald werden auch sie ihren Artgenossen folgen und den Nistplatz in der hohen Tuja aufsuchen. Dann wird es nicht mehr lange dauern, bis die Dunkelheit hereinfällt.
An diesem Tisch sitzt sie gern, schaut nach draussen, schreibt. „Hier ist meine musische Ecke“, sagt sie oft und glaubt ganz fest daran, dass an diesem Ort im Haus positive Strömungen sie erreichen. In ihrem Zimmer im Stockwerk darüber, hat sie genau an dieser Stelle ihren Schreibtisch stehen.
Heute fällt ihr Blick auf die kleine Lackschatulle, die nun im Kerzenschein glänzt. Sie denkt an den Samstag des zweiten Advent zurück, an dem sie sie kaufte.

Zu einem kleinen Weihnachtsmarkt haben verschiedene Vereine ihre Buden aufgebaut, in denen sie allerhand feilbieten: Glühwein, selbstgestrickte Strümpfe, Laubsägearbeiten aus Holz, Dekoratives aus Stroh und viele andere Dinge. Natürlich gibt es auch die Buden, von denen der Glühweinduft oder der der gerösteten Mandeln verführerisch den Besuchern in die Nase zieht.
Sie hat von ihrem Besuch beim Bäcker einen kleinen Abstecher gemacht und schlendert nun mit mäßigem Interesse an den Buden entlang. Am Ende des kleinen Weihnachtsmarktes hat ein Fremder seinen Stand aufgebaut. Neugierig schaut sie das Angebot an: östliche Sachen reihen sich auf der kleinen Theke. Babuschkas in verschiedenen Größen schauen ihr entgegen. Sie nimmt eine in die Hand und betrachtet sie von allen Seiten. 6 Kleine Figuren haben Platz im Innern der Puppe.
Als sie diese wieder auf den Tisch zurückstellt, fällt ihr Auge auf zwei kleine Lackschatullen, auf deren Deckel wunderbar filigrane Motive gemalt sind. Sie ist entzückt und schaut näher: die kleinere, nicht einmal 10 cm lang, trägt auf dem Deckel das Bildnis eines Violinenspielers, hoch zu Ross auf einem eleganten Schimmel. Er musiziert im Duo mit einem Gitarrenspieler, der vor dem Schimmel steht, über ihn beugen sich die Zweige eines Baumes.
Der Verkäufer, der nur gebrochen Deutsch spricht, nimmt die Dose auf und hält sie ihr entgegen: „Schauen“. Vorsichtig nimmt sie sie entgegen. Die Dose ist ein Traum. Die Motive sind mit einem feinen Pinsel farbenprächtig gemalt worden. Sie hält sie in den Lichterschein – sie erkennt deutlich, dass es keine Abziehbilder sind, die diese kleine Schatulle schmücken. Zarte, winzige Bodüren zieren die Seitenwände. Sie öffnet vorsichtig den kleinen Deckel und das kräftige Rot der Innenfarbe glänzt ihr entgegen.
Sie ist begeistert. „Wieviel kostet sie?“
Der Händler nennt einen Betrag, der ihr hoch erscheint. „Sie ist eine Rarität.“
„Das stimmt“, mischt sich ein weiterer Besucher ein, der sich als Sammler outet.
Sie schluckt: „Oh… das ist viel Geld.“ Sie stellt die Schatulle zurück, schlendert weiter und verlässt den Weihnachtsmarkt. Nicht verlässt sie der Gedanke an diese Schatulle. Sie erzählt davon ihrer Mutter, die seit einiger Zeit bettlägerig ist und von ihr gepflegt wird. Die Mutter hört aufmerksam zu.
„Bald ist Weihnachten. Du hast Dir ja schon ein Weihnachtsgeschenk von dem Geld gekauft, das ich Dir schenkte. Aber wie wäre es, wenn Du Dir von dem Rest diese Schatulle kaufen würdest? – Wo sie Dir doch so gut gefällt. Dann wird sie Dich immer an diesen Samstag im Advent erinnern, wenn ich einmal nicht mehr bei Dir bin. Und Du weißt: bald heißt es Abschied nehmen – ich werde nicht mehr lange bei Dir sein“.
Traurig schaut sie die Mutter an: „Ach Mutti“…
„Nun fahr schon los, und hol Dir diese kleine Kostbarkeit.“
Als sie auf dem kleinen Markt ankommt, hat starker Regen eingesetzt, nur sehr wenige Besucher stehen unter den tropfenden Budendächern. Der östliche Händler hat seinen Stand abgebaut und räumt Kiste um Kiste in seinen Bully. „Haben Sie noch die kleine Schatulle?“
„Ich schaue nach. Eine hab ich verkauft, eine ist noch da.“ Der Händler kramt in einer der Kisten und holt eine kleine Lackschatulle hervor. Es ist die richtige: der Gitarrenspieler und hoch zu Ross der Violinspieler. Pferde, Reiten, Gitarrenspielen – die drei Passionen ihres Lebens. Sie tauscht Geldschein mit Lackschatulle und trägt sie glücklich heim.
Die Mutter ist zufrieden mit der Wahl dieses Geschenkes: „Und weißt Du was,“ sagt sie: „Ich lege jetzt ganz viel Liebe in dieses Kästchen. Wenn ich nicht mehr bei Dir bin, dann kannst Du es öffnen und die Liebe strömt heraus.“
Da nimmt sie die Mutter zart in den Arm und hält sie ganz fest. „Du sollst doch bei mir bleiben.“
„Ja, ich weiß, Kind“, erwidert die Mutter und streicht mit ihren schon knochigen Fingern über die Wange der Tochter, über die Tränen laufen.

Die Mutter ist wenige Wochen später gestorben.
Nun sind schon viele Jahres übers Land gezogen und haben den Schmerz des Abschiedes mit sich genommen. Die kleine Schatulle ist geblieben und mit ihr die Erinnerung an diesen Tag im Advent. Immer, wenn sie den kleinen Deckel öffnet, strömt ihr die Liebe der Mutter entgegen und legt sich wärmend um ihr Herz.
(c) Annette Gonserowski

Weihnachtliche Szene III




Es ist Nachmittag eines Wintertages. Die Dunkelheit ist früh hereingebrochen, hüllt das Land in Schweigen. Im Dorf sind die Schaufenster der kleinen Läden erleuchtet. Tannengrün und Sterne schmücken die Auslagen. Das Haushaltwarengeschäft hat Services aus feinem Porzellan ins Schaufenster gestellt, das Kristallglas daneben glitzert im Kerzenschein.
Im Spielwarengeschäft fährt eine Märklin-Spielzeug-Eisenbahn einsame Runden auf kunstvoll gestalteter Platte.
Auf der schmalen Straße, die durch den Ort führt, fahren wenige Autos. Vereinzelte Straßenlaternen am Straßensaum verbreiten ein spärliches Licht. Aus dem Stall des Bauernhofes, mitten im Dorf, steigt der warme Dunst der Tiere in die klirrend kalte Luft.

Die Zwillinge haben ihre Wintermäntel angezogen und dicke Mützen über die Ohren, die Handschuhe, befestigt an einer gehäkelten Kordel, schützen die kleinen Finger. Lediglich ein schmaler Streifen Haut oberhalb des Strumpfendes bietet der Kälte Raum, als sie aus dem Lutherhaus treten, in dem ihre Kindergartengruppe Heimat fand.
Heute hat die Mutter sie abgeholt, rechts und links hält sie einen Zwilling fest an der Hand. Diese hüpfen übermütig, dass die Butterbrottaschen lustig im Takt schwingen.
Sie gehen den Berg hinauf und an der anderen Seite herunter, aus dem Dorf heraus. Am Ortsende wird es dunkler, nur die Fabrik im Tal wirft Lichterschein auf die Straße. Dort arbeitet der Vater. Ihn besuchen sie manchmal, gemeinsam mit dem älteren Bruder, um ihm bei seiner Spätschicht das Essen in einem Henkelmann zu bringen, den die Mutter in Tücher gewickelt in eine Tasche gestellt hat.
Doch heute lassen sie das Firmengebäude links liegen, biegen ab auf die Straße, die wieder bergwärts führt. Hier stehen 4 Häuser in einer Reihe. In einem wohnt ein Mädchen, fast so alt wie die Zwillinge, das besuchen sie manchmal, um mit ihr im Garten zu spielen. Auch heute bleiben sie vor dem Haus stehen. Geheimnisvoll senkt die Mutter ihren Kopf zu den Zwillingen: „Heute werden wir eine ganz große Überraschung erleben.“ flüstert sie geheimnisvoll. Schon klingelt sie an der Haustür. Der Untermieter öffnet die Tür und bittet sie herein, führt sie in sein kleines Wohnzimmerchen. Dort sitzen das Mädchen und seine Eltern am Wohnzimmertisch. Der Raum ist etwas verdunkelt. Am Endes des Raumes steht etwas Unbekanntes auf einem Tischchen: ein dunkler Kasten, auf dessen Bildschirm schwarz-weiße Bilder laufen. Der erste Fernseher, den die Drei sehen. Es ist der erste Fernseher überhaupt, in dem kleinen Dörfchen. Die Zwillinge sind sprachlos vor Staunen. Mit großen Augen schauen sie auf den Film, stehen brav rechts und links an den Händen der Mutter. So etwas haben sie vorher noch nie gesehen. Auch die Mutter ist fasziniert. Für eine Weile dürfen sie schauen, dann ist der Film schon zu Ende. Nun verabschiedet sich die Mutter. Die Zwillinge wären gern geblieben, lassen sich nur zögernd aus dem Zimmer ziehen. Sie dürfen wiederkommen, das ist versprochen. Dann dürfen sie Peterchens Mondfahrt im Fernsehen sehen.
Der dunkle Hohlweg ist nun voller Zauber. Die Zwillinge haben die Sprache wiedergefunden, die Wörter überschlagen sich in ihrer Begeisterung.

(c) Annette Gonserowski

10. Dezember 2007

Weihnachtliche Szene II


(c) Annette Gonserowski

Wieder ist Heiliger Abend, wieder geht sie den Weg hinauf zur Anhöhe. Von den Tannen fällt knisternd das Eis. Die Äste der alten Eiche knarren unter der Eislast. Der Weg ist durchzogen von Fußspuren, die vor ihr Gehende hinterließen, festgetreten und glatt.
Der Regen, der vom Osten treibt, ist durchsetzt mit Schneeflocken, die immer dichter werdend sie umtreiben. Den Hund hält sie an der Leine. Sein ungestümer Übermut, sein Vorwärtsdrängen, machen ihren Weg leichter.

Sie ist nachdenklich. Es ist der heilige Abend. Wieder liegt die Mutter im Krankenhaus, dieses Mal mit einem Herzinfarkt. Vor wenigen Stunden war sie bei ihr, hielt die schmal gewordene Hand, die übersät ist mit blauen Flecken rund um die Einstiche der Infusionsnadeln. Wie tapfer die Mutter ist, deren Kopf klein und zart geworden zwischen den Kissen zu versinken scheint. Die Rollen sind vertauscht: sie, die liebevolle Mutter, die Starke, die einst ihre Familie behütete, ist nun zart geworden, ihre Gesundheit ist filigran und verletzlich. Sie begibt sich bedingungslos in die Fürsorge ihrer Tochter. Die macht sich Sorgen, die sie mit auf diesen Weg nahm, die sie nun zu erdrücken scheinen. Sie geht auf der Anhöhe weiter, schaut hinunter ins Tal, in das sich ihr kleines Elternhaus schmiegt, dahinter, gut sichtbar im ehemaligen Apfelhof, ihr Haus.
Auf dem Weg ins Tal wird der Himmel heller, der Regen, der zum Schnee wurde, hört auf. Sie schaut sich um, sieht hinter sich den Abendschein rötlich über den schwarzen Tannenwipfeln. Da wird ihr bewusst, dass auch der Blick zurück tröstend ist und stark macht, für das Vorwärtsschreiten. Und noch etwas wird ihr bewußt: wer nur vorwärtsschaut, sieht niemals die Schönheit in dem Vergangenen.
(c) Annette Gonserowski

Weihnachtliche Szene I




Das späte Nachmittagslicht fällt durch die eilenden Wolken. Der Himmel ist grau. Schneebedeckte Tannen säumen den Weg, der auf die Anhöhe führt. Sie tritt aus dem Wald heraus. Spuren der Waldtiere durchziehen das reine Weiß der Schneedecke auf dem Feld. Der Wind treibt die Schneeflocken über das Feld, umhüllt auch sie. Es ist der Nachmittag des heiligen Abends. Sie stapft durch den tiefen Schnee, ihr Hund springt übermütig um sie herum, beißt voller Übermut in Schneewehen, um weiterspringen, den Spuren nach, in die er seine dicke Schnauze steckt.
Stille – der Schnee schluckt alle Geräusche. Nur die Tannen auf dem Berg, rauschen behäbig im Wind, bewegen sich kaum sichtbar unter der Schneelast.
Stille, die in ihr Herz dringt. Vom Dorf im Tal dringt Glockenläuten zu ihr hinauf.
Nachdenklich und wehmütig geht sie Schritt für Schritt über die Lichtung zwischen den Wäldern, wehrt nicht den Gedanken, die aus dem Flockentreiben in sie dringen. Sorgen und das Gefühl der Einsamkeit machen das Herz schwer. Der Mensch, der sie liebt, den sie liebt, ist Kilometer entfernt in einer Reha-Klinik.
Die Kälte rötet ihre Wangen, kriecht durch den Stoff ihrer Hose, lässt die Schenkel prickeln. Ein längst vergessenes Kindheitsgefühl breitet sich in ihr aus, wohlig und tröstend.
Sie wird eins mit der Stille.
Mit jedem Schritt dem Glockenläuten näher, geht sie hinunter ins Tal, sieht von weitem Kinder an den Händen der Eltern zur Kirche gehen, hüpfend vor Freude.
Da werden auch ihre Füße leichter. Nun hüpft auch sie, zaghaft zunächst. Der Hund, fröhlich um sie herum, schnellt auf sie zu, nimmt ihr Spiel auf. Die Schneeflocken, weiß und rein, wirbeln leicht um ihr Lachen.

(c) Annette Gonserowski

8. Dezember 2007

Buchladen


Blick in den Buchladen - das Ölgemälde hat ein lebendes Vorbild

Buchladen mit Ölgemälde an der Außenwand


Ich liebe es, in Buchläden zu stöbern. Es vergeht kein Besuch einer fremden Stadt, ohne dass ich einen Buchladen aufsuchte, um das regionale Angebot zu studieren.


(c) Annette Gonserowski

Finden

Eintauchen
in die Stille
und abstreifen
das Laute,
das Gemeine,
die Sehnsucht,
die unstillbar ist,
die sich um das Herz legt
und um den Geist,
die unfrei macht,
die verbrennt mit ihrer Glut.

Aushalten
die Stille
und die Leere,
die Mögliche,
die Wahrhaftige,
zulassen Gedanken
und Trauer
und den Abschied.
Die Wunden kühlen
und Tränen weinen
sich wiederfinden.

Auftauchen
und gehen
in das Leben,
vorsichtig,
tastend,
Schritt für Schritt.
Wiederfinden,
all das,
was man gern hat
und das, was man liebt,
und das, was noch blieb,
finden auch Dich.

2004
(c) Annette Gonserowski

6. Dezember 2007

Mein Freund




Durch die kahlen Zweige
des Ahorns
lächelt er mir zu,
legt tröstend
seinen Schein um mich.
Er ist so einzig
zwischen vielen Sternen,
so wunderbar.
Er ist so nah
in dieser blauen Stunde.
Er ist mein Freund.
Ich tanz mit ihm in
lauen Sommernächten,
schenk ihm von meiner Glut.
In Winternächten
schlummer ich in seinen Armen,
spür seinen Traum.
Die Nacht ist dunkel,
wenn er sich verbirgt,
doch er ist da,
begleitet meinen Weg
von Ferne.
Er ist mein Freund,
der Mond,
ich liebe ihn,
er ist wie Du.

(c) Annette Gonserowski

5. Dezember 2007

Du


morgens
Das Prickeln
der Morgenkühle
auf der Haut
das Leuchten
über dem Berg
und in den Augen,
das Schweben
der Blätter
und der Seele
die Sonne,
das Lächeln,
der Windhauch
der Herzschlag,
das Erwachen,
der Gedanke,
der junge Morgen
Du.

(c) Annette Gonserowski

4. Dezember 2007

Besuch eines Freundes im Hospiz




Hospiz Stella Maris


für Don Alfredo

Aus bunten Kissen heraus
lächelst Du:
nun bist Du eins
mit der Welt,
bist verbrüdert
mit himmlischen Sphären.
Um Dich herum
Frieden,
vor den Fenstern
das Licht des Advents.
An der Wand
die Masken des Lebens,
zum Fürchten und grausam,
verloren den Schreck.
Ruhe in Dir,
tosende Stille in mir,
nur der
Papagei vor der Tür,
verwaist und einsam im Käfig,
ruft laut sein Vermissen.

(c) Annette Gonserowski

2. Dezember 2007

Allen Besuchern meines Blogs wünsche ich eine frohe Adventszeit



Wieder ist Advent
Besinnlichkeit und Freude
auf Lichterzauber.

Kerzenschein und Plätzchenduft
erfreuen unsre Herzen.

© Annette Gonserowski + Rosalva Godim

Elternhaus





Meine Großeltern und Familie, rechts mein Vater (c) Annette Gonserowski



Ein langer Weg,
ein Baum,
ein Haus.
Verweht
ist über's Land
die Zeit.
Unter den Wurzeln
die Erinnerung,
im Gebälk
ein längst vergessener
Traum.

(c) Annette Gonserowski

1. Dezember 2007

Worte




Hagener Weihnachtsmarkt vor dem alten Rathaus (c) Annette Gonserowski

Es sind die Worte,
nach denen mich dürstet,
von denen ich lebe.

Heute waren es sieben -
Nicht einmal eins
für jede Stunde des Tages -
sie reichen bis Mittag.

Mit ihnen träume ich,
mit ihnen spiel ich,
verstecken,
entdecken,
fang sie
und lass sie,
setzte sie an beliebige Stelle,
schreibe mit ihnen
gegen die Trauer.

(c) Annette Gonserowski

30. November 2007

Worte




la Punta negra in Las Rotas, Denia (c) Annette Gonserowski


Ich sandte
unzählige Worte
in endloser Zeit.
Worte,
wie Treibsand,
die flossen,
umspülten,
haltlos -
blieben,
zurückflossen,
sich in der Seele
verfingen,
Berg wurden.

(c) Annette Gonserowski

28. November 2007

Befund



Die Herzwand
ist dick.
Das ist genetisch,
sagt man.

Genetisch
das Sehende,
genetisch
das Fühlende,
genetisch
das Bewahrende
tief in dem Herzen,
dass die Wände zu
dünn sind
für diese Freude
und diesen Schmerz.

(c) Annette Gonserowski

Spätherbst



Die Nacht
nahm den Bäumen
die Blätter,
hängte Nebel
zwischen die kahlen Zweige,
füllte die verlassenen Nester
mit Wehmut.
Nun muss auch ich
Winterhaut tragen,
die meinen Herzschlag
verbirgt.
Nun suche ich Zuflucht
in dem Geschriebenen,
baue mein Nest
zwischen den Zeilen,
nehme die Wärme
mit unter die Haut.

(c) Annette Gonserowski

27. November 2007

Nicht flüchtig




Nicht flüchtig,
wie die Berührung der Gräser,
die der Wind zueinanderbog,
im Vorüberwehen.

Nicht vergessen
wie die Zeile
eines beliebigen Buches,
nach dem Blättern der Seite.

Nicht gelöscht,
wie die Schrift
auf dem Bildschirm,
nach dem Abschalten des Computers,

unsere Freundschaft.

(c) Annette Gonserowski

26. November 2007

Freundschaft




(c) Annette Gonserowski


Ein Schmetterling
in unserer Hand,
der von unserem Herzschlag
lebt,
der in unserem Atem
schwebt,
den unsere Gedanken
entfalten,
der stirbt,
wenn unsere Augen
sich voneinander wenden.
Ein Schmetterling
in unserer Hand
geborgen:
unsere Freundschaft.

(c) Annette Gonserowski

25. November 2007

Ankunft



Als ich
Abschied genommen hatte,
die Tränen geweint waren,
die Stille des Herzens
nicht mehr erschreckte,
die Leere vertraut wurde,
die Wärme nicht mehr vermißt,
die Sehnsucht erlosch,
als ich mich auf den Weg machte,
standest Du dort,
erwartetest mich
mit all Deinem Sehnen,
mit all Deiner Freude,
mit geöffneten Armen,
schenktest mir Deine Worte.

(c) Annette Gonserowski

23. November 2007

Liebe




Höhlen (c) Ulrich Köhler

Unmöglich,
wegzusehen,
fortzulaufen.

Es ist im Herzen.

Ich würd' nicht glücklich sein,
wenn er verzeifelt wäre,
würd' mit ihm untergehen.

So leicht ist das,
so schwer.

(c) Annette Gonserowski

22. November 2007

Ohne Worte


In seligen Träumen



Wer hat mich geweckt????

Hündchens (Aus-) Plauderei



Frauchen und der weiße Traum

Frauchen hat viele Träume.
Ein Traum davon bin ich und ein anderer hat weiße Federn.

Es sind nicht die Gänse von Rudi, die auf dem Teich leben, der in den Bachauen ist. Zu denen führe ich Frauchen fast täglich. Max und Lilli kommen laut kreischend an den Zaun, der den Teich umgibt. Zischelnd recken sie ihre langen Hälse in meine Richtung, um anschließend zu schreien, dass es mir durch das Mark und Bein geht. Währenddessen zupft Frauchen schon frisches Gras. Das steckt sie durch den Zaun und die Biester kommen friedlich zu ihr, um das Gras aus ihrer Hand zu fressen. Sie machen das vorsichtig, dass ich es kaum glauben kann. Sie gackern dann ganz leise wie Hühner, die zufrieden auf dem Bauernhof herumlaufen. Wenn wir ihnen aber bei einem Spaziergang begegnen, den Rudi mit seinen Gänsen oft in Richtung des Waldes unternimmt, dann kommen sie flügelschlagend auf uns zu, schreiend und wütend. Dann ergreife ich die Flucht. Dass Frauchen dann so ruhig bleibt, ist mir schleierhaft, denn auch sie wird von den Gänsen in die Beine gezwickt. "Aber nicht so schlimm," sagte sie mir, denn dieses Federvieh kennt sie. In diesen Gänseteich darf ich auch im Sommer, denn Rudi hat extra einen Badeinstieg für Hunde gemacht. Dort stehe ich im Sommer gern, schlürfe das frische Wasser, denn der Teich wird vom Bach gespeist, der oberhalb im Wald entspringt und sich bis zum Teich talwärts durch die abschüssigen Wiesen schlängelt. An diesem Bach wachsen im Frühling Sumpfdotterblumen und Holunder spiegelt seine Blütendolden auf seinen Wellen. Dort steht auch der wilde Apfelbaum, den der Vater von Frauchen als junger Mann veredelte und der seitdem Früchte trägt. Von ihnen nimmt Frauchen im jeden Herbst einen, trägt ihn sorgsam heim.

Aber ich schweife ab... das macht mein Alter.... ich werde geschwätzig.

Sind es auch nicht Rudis Gänse, die nächstens durch Frauchens Träume ziehen, so haben sie doch ein klein wenig mit diesem Traum zu tun.

Es ist auch nicht direkt Frauchens Name, der ihren Traum entstehen ließ, auch wenn man das meinen könnte: ihr Name bedeutet... ach, ich sag es mal lieber nicht...

Frauchens Traum hat weiße Federn...
Er war schon einmal Wirklichkeit, der Traum lag jahrelang auf ihrem Bett: ein federleichtes Federbett... und ich mittendrin. Aber nur am Tag und nur auf einer Decke, die darüber lag. Nachts, wenn Menschen unter diesen Traum kriechen, ist das Schlafzimmer für mich tabu. Das akzeptiere ich zähneknirschend - und Frauchen erleichtert es mir mit einem Leckerchen, das ich bekomme, wenn ich den Traum verlasse.
Der Traum wurd flach und flacher. Er umhüllte Frauchens Träume nicht mehr wärmend.

Frauchen hing an ihrem Traum und umhüllte ihn mit einer warmen Decke. Das war eine gute Lösung - doch damit verflog die Leichtigkeit ihres Traums.

Nun aber war Frauchen zu einer Buchpräsentation in Hagen. Hinterher ging sie noch mit einem Dichterfreund essen. Man sprach über Literatur und Träume genrell, trank und aß dabei, schaute sich in die Augen und auf den Mund, verstand sich und die Worte und war in der Welt der Wörter angekommen, fühlte sich wohl.
Als sie das Restaurant verließen, brach die Kälte der realen Welt über sie herein, die zudem noch den Atem des Winters um ihre Nasen wehen ließ. So ging jeder rasch in Richtung seines Autos, die auf entgegen gesetzten Parkplätzen der Stadt untergebracht waren. Der Dichterfreund schlug seinen Schal fester um den Hals, strebte in Richtung des Parkhauses. Frauchen knöpfte ihren langen Mantel zu, ging in Richtung des Parkplatzes und stockte nach wenigen Schritten: an dem Bettengeschäft links der Straße waren riesige Schilder angebracht: "Rabatte wegen Geschäftsaufgabe". Frauchens Herz schlug schneller. Am Tisch, auf dem große Wohndecken aus flauschiger Baumwolle ausgestellt waren, blieb sie zum ersten Mal länger stehen: eine zart-gelb-beige Decke fand ihr Gefallen. Sie war genau das Richtige für mich, denn dass ich es nicht nur wohlig haben, sondern sich die Decke auch noch harmonisch der Wohnung anpassen sollte, das war Frauchens Anspruch.

Als sie zum Bezahlen das Geschäft betrat, war sie umringt von ihren Träumen: dicke, weiche, federleichte Daunendecken lagen aufgestapelt in den Regalen! In jeder gewünschten Ausführung: 100 % Wildgänsedaunen, 80 % Dauen und 20 % Federn, aus dem Norden, aus Europa, aus Deutschland. Alle mit einem Gütesiegel versehen, das den Traum zum Traum werden ließ.
Frauchens Herz, das alles Weiße, alles Flauschige, alles Wärmende und alles Leichte liebt, holperte vor Freude. Sie warf meine Decke über die Schulter, damit sie beide Hände frei hatte. Und schon fühlte sie prüfend die gesteppten Decken an! Die waren ein Traum: so dick, so daunenleicht... so wunderbar herrlich leicht! Einfach ein Wirklichkeit gewordener Traum zum Anfassen.
Als Frauchens Blick auf die reduzierten Preise fiel, überschlug sich ihr Herz fast und sie im Kopf die Zahlen ihres Kontostandes. Da war kein langes Überlegen mehr nötig: der leichte, flauschige Traum wurde leicht auf ihren Händen zur Kasse getragen, von dort zum Auto, er fuhr mit in unser Haus.
Dort umhüllte Frauchen ihn mit einer schmeichelnden Hülle. Darauf legte sie meine neue Decke, denn ihr war klar, dass natürlich ich zuerst diesen Traum und auf ihm träumen durfte, auch wenn sie innerlich gar nicht damit einverstanden war. Aber so ist es: der größte Traum - nämlich ich - hat oberste Priorität vor nachrangigen Träumen.

Als es dunkel wurde, da wurde Frauchens Traum konkret: sie schlüpfte unter die 100 % nordischen Dauen und versank darunter. So leicht war der Traum, so warm, dass die Körnerkissen nach wenigen Minuten aus dem Bett auf den Bettvorleger flogen. Frauchen lag selig lächelnd mit dem Buch vor der Nase unter ihrem Traum. Kaum war ihre Nasenspitze zu sehen. Nur die Füße, die sie immer unter der Bettdecke hervorstreckt, schauten auch diesmal entspannt unter ihr hervor.
Frauchen lächelte selig träumend: ich weiß ja nicht, vielleicht trugen die Daunen noch eine geheime Botschaft ihres nordischen Dichterfreundes, mit dem sie Gedichte tauscht.

Später, als das Licht gelöscht wurde, da lag Frauchen umhüllt von ihrem Traum in tiefen Träumen und träumte neue Träume. Sicher zog ich mit meiner Rute wedelnd durch diesen Traum.

(c) Annette Gonserowski

21. November 2007

Hündchens (Aus-) Plauderei


Tarnfarbe...




Frauchen und ihr Küchenmesser


Frauchen liebt mich - und Frauchen liebt ihr Küchenmesser.
So ein kleines, ganz normales Küchenmesser, mit dem man Kartoffeln schälen kann.
Das sage ich. Aber da müsst Ihr mal Frauchen hören. Für die ist das etwas ganz Besonderes.
Sie hatte eins, das hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Es hatte einen hölzernen Griff und eine kurze Klinge, die immer rasiermesserscharf geschliffen war. Das Messer hütete sie wie einen Augapfel. Der Griff war schon sehr dunkel geworden, vom vielen Anfassen und Spülen. Die Klinge war schon sehr dünn vom vielen Wetzen mit dem Wetzstab.
Irgendwann hat dieses Messer der Gang aller Dinge ereilt: es fiel einfach auseinander. Frauchen hat sich das Malheur von allen Seiten betrachtet, es schweren Herzens in den Müll geworfen und war traurig.
Man schenkte ihr ein neues Messer. So ein Küchenmesser, wie man es in jedem Supermarkt kaufen kann. Das war natürlich kein Vergleich und so stand Frauchen missmutig in der Küche und schälte die Kartoffeln und Äpfel so dick wie des Messers Schneide - die war sehr dick.
"Meine Großmutter schälte die Äpfel so hauchdünn, dass man durch die Schale schauen konnte", erzählte sie mir, "und sie war an einem Stück."
Ich wunderte mich: war es wichtig, die Äpfel und Kartoffeln so dünn zu schälen? Mir war es egal, denn weder Kartoffeln noch Äpfel gehören zu meiner Lieblingsspeise.
"Ja", erklärte mir Frauchen, "unter der Schale sind die meisten Vitamine."
Wenn sie es glaubt, glaube ich es ihr gern.

Frauchen fuhr mit ihrer Cousine nach Hagen in die Großstadt.
Zielsicher ging sie in den Tchiboladen, wo es verführerisch nach frisch geröstetem Kaffee roch. Aber weit gefehlt: Kaffee war nicht ihr Begehren, sondern die Sonderangebote, die an den Wänden des Ladens ausgestellt waren. Mit leuchtenden Augen nahm sie eine Packung von dem Verkausständer. Durch die Folie konnte man es sehen: ein Küchenmesser aus Edelstahl mit gebogener Klinge war darin. Eine gebogene Klinge, das war neu. Aber Frauchen, mutig für Neues, wollte das Wagnis eingehen. Der stolze Preis ließ Frauchen einmal schlucken, doch der Gedanke an hauchdünne Kartoffelschalen ließ sie nicht zögern.
"Immerhin ist es ein Kauf für's Leben", sagte sie sich und fuhr fröhlich mit diesem Prachtstück von Messer nach Hause.
Die Enttäuschung folgte auf dem Fuß. Das Messer erwies sich als zu unhandlich und klobig und ebenso sahen die Schalen aus.
Frauchens Frust blieb natürlich nicht verborgen. Man schenkte ihr ein neues Messer, das zwar nicht dem Vergleich mit dem alten Messer standhielt, aber immerhin gut zu handhaben war.
Als Frauchen in der Papiermülltonne zerschnittene Kartons liegen sah, ahnte sie Böses, und richtig: man hatte ihr Küchenmesser benutzt, die dicken Pappen der Kartons durchzuschneiden.
Mit klopfendem Herzen zog sie die Küchenschublade auf: da lag ihr Messer in dem Messerfach, unscharf, mit an der Klinge ausgebrochenen Ecken . Frauchen war sauer! Ihr Messer war ruiniert.
Einige Zeit später besuchte Frauchen das Haushaltswarengeschäft im Nachbarort. Sie wollte schon wieder das Geschäft verlassen, als ihr Blick auf ein Schild in der Nähe der Kasse fiel: "Wir nehmen ihr altes Küchenmesser in Zahlung und rechnen 5 Euro auf ein neues an."
Frauchen stutzte, war wie elektrisiert und schaute begierlich in Richtung der ausgestellten Küchenmesser. Sie hingen in allen Größen und Formen an einer Schauwand. Der Haushaltswarenhändler hatte ihren Blick bemerkt und reagierte rasch: "Ja, das sind tolle Messer" sagte er beflissen und legte Frauchen eins in die Hand.
Das war ei n Messer! Genau das, was Frauchen sich immer vorgestellt hatte: Ein Messer aus Edelstahl der Nobelmarke WMF aus dem schwäbischen Ländle! Schwaben sagt man Sparsamkeit nach, sie sagen, dass sie nicht reich genug sind, um sich billge Produkte zu kaufen. Ein dort hergestelltes Messer ist eine Investition für ein ganzes Leben.
Frauchens Augen glänzten: "Ja, so ein schönes Küchenmesser, das ist mein Traum."
"Dann kaufen Sie es sich doch" bestätigte der Händler Frauchens Verlangen.
"Ja, aber.... es ist sicher sehr teuer."
"Dafür hält es aber auch ewig. Und wir schleifen es Ihnen hier scharf, wenn es einmal stumpf werden sollte."
Das war ein Argument. Frauchen hielt das Messer abwägend in der Hand. In den Griff, der von der Klinge in einem Stück überging, waren Seiten aus hochwertigem, schwarzen Kunststoff eingelassen. die sich der Handfläche anpassten. Einige, durchtriebene, zweckvolle Edelstahlnieten ließen es edel erscheinen.
"Ich lasse Ihnen die 5 Euro nach. Das alte Messer können Sie mir irgendwann einmal bringen." Der Einzelhändler schaute Frauchen beflissen an.
Frauchen seufzte noch einmal, zückte ihre Geldbörse, der Geldschein und das Messer wechselten die Besitzer.

Frauchens Zwilling war zu Besuch, als sie das Messer auspackte. Er, der ein begnadeter Koch ist, sah sofort, was für einen Schatz Frauchen da heimgebracht hatte.
"Darf ich es mal sehen", fragte er und gerne überließ Frauchen das Messer seinem Kennerblick.
Das war ein Messer!!! Ja, wirklich. Der Zwilling betrachtete es voller Bewunderung.
"Schau, " sagte er: "Es ist aus Edelstahl. Hier auf der Klinge steht die Legierung."
Und schon las er die Zusammensetzung erklärend vor.
Das Messer ist wirklich ein Traum.

Seit diesem Tag versteckt Frauchen das Messer in einer hinteren Ecke einer Schublade, unter den Schneidebrettchen und einem gestrickten Eierwärmer, den die Schwägerin ihr vor vielen Jahren einmal von Wyck auf Föhr mitbrachte.
Wenn Frauchen auch gern Vieles teilt, sogar manchmal mich: dieses Messer ist ihres. Ganz allein ihres.

Ich war schon ein wenig eifersüchtig auf das Messer, bis dass mir klar wurde, dass ich niemals in einer Schublade versteckt werden möchte.
Frauchen erteilte absolutes Benutzungsverbot an alle Familienmitglieder. Sie halten sich daran und schauen ein wenig neidisch auf dieses Messer. Ich aber sehe abends Frauchens glückliches Lächeln, wenn sie einen Apfel aus der Obstschale nimmt und ihn schält. Hauchdünne, aneinanderhängende Schalen, durch die man das Licht schimmern sieht.

(c) Annette Gonserowski

20. November 2007

Hündchens (Aus-) Plauderei




Der Besuch der Freundin

Ich merke es sofort:Frauchens Freundin ist am Telefon. Schon bevor sie den Hörer aus der Ladestation nimmt, sieht sie es auf dem Display. Ihre Augen strahlen dann und schnell nimmt sie den Hörer in die Hand, damit das Gespräch nicht auf den Anrufbeantworter umgeleitet wird. Ihre Stimme bekommt dann ein leichtes Zwitschern, fast so wie das der Amsel, die morgens vor meinem Fenster singt.Wenn es möglich ist, setzt sie sich dann in den Lesesessel, legt entspannt die Füße auf den Tisch. Das sollte ich mal machen!!! Manchmal angelt sie nach einer Süßigkeit, um sie genüsslich anzuknabbern. Dann ist Wohlbehagen pur angesagt. Dann kann das Gespräch schon mal etwas länger dauern, so dass ich mich entspannt vor ihre Füße lege, manchmal mit geschlossenen Augen zuhöre, ihr hin und wieder zublinzle, je nachdem, was sie der Freundin erzählt. Oft schlafe ich dann ein, ganz friedlich. Mir kann nichts passieren: Frauchen ist da.

Nach so einem Telefongespräch geschieht es, dass wenige Tage danach ein ungemütliches Treiben beginnt. Frauchen beginnt aufzuräumen. Auf dem Wohnzimmertisch, genau vor Frauchens Lesesessel, liegt meist ein Stapel aus Büchern, dem neusten Fokus, der Brigitte Women, Briefen, Einladungen zu Vernissagen und sogar ein Ausdruck der Sonntagspredigt aus der Margaretenkirche, die ihr der Pfarrer regelmäßig mailt. Das sortiert sie: Bücher wandern in das Regal oder werden auf den Bücherstapel auf dem Schrank gelegt. Prospekte landen im Papiermüll, Zeitschriften werden zum Zwillingsbruder gebracht, damit er sie noch lesen kann. Einige Dinge legt sie auf die Ablage unterhalb der Tischplatte, um sie später noch einmal lesen zu können. Das geschieht vielleicht später irgendwann. Wenn die Ablage zu voll wird, holt Frauchen eine Klappkiste, füllt sie und trägt sie an den Papiercontainer. Das könnte sie doch sofort machen. Ich versteh sie nicht.

Aber nicht genug damit: Frauchen geht in das Gästezimmer, das eigentlich unser Zimmer ist: ihres und meines. Da steht ihr Computer und ich liebe es, wenn Frauchen an dem Computer sitzt und schreibt. Dann ist eine ruhige Atmosphäre, die mich wunderbar in sanfte Träume trägt. Auf dem Gästebett stapeln sich auch viele Dinge: Ausdrucke aus dem Internet, seitenweise neue Gedichte, Bücher, Unterlagen vom Autorenkreis. Das sortiert Frauchen und räumt sie fort und das Bett ist frei. Dann denke ich: "Fein, meine Stunde ist gekommen: jetzt kann ich auf das Bett". Aber falsch gedacht. Ich bekomme totales Bettverbot. Das Bettzeug wird aus dem Schrank geholt und aufgeschüttelt. Flauschige Bezüge werden darüber gezogen. Alles wird ordentlich hergerichtet. Wenn Frauchen dann mit dem Putzeimer das Zimmer verlässt, dann würde ich gern in dem Zimmer bleiben und einfach nur genießen. Aber Frauchen schiebt mich sanft aus dem Zimmer, schließt die Tür und damit ist die Herrlichkeit für mich beendet. Dann bleibt die Tür geschlossen und ich hab nicht einmal die Gelegenheit, am Tag, wenn ich allein bin, heimlich in das Zimmer zu gehen und dort zu schlafen. Das mach ich nämlich gern, denn im Zimmer ist immer ein leichter Duft von Frauchen.

Wenige Tage nachdem dies alles gerichtet ist, kommt Frauchen mit Taschen bepackt vom Einkaufen. Ich begrüße sie dann schon an der Tür und schnuppere neugierig an den Taschen. Meist ist in diesen eine Leckerei für mich: köstlicher, getrockneter Pansen oder getrocknete Fleischstreifen, die ich so gerne knabbere. Die gibt Frauchen mit oft, wenn ich allein zu Hause bleiben muss, als Trost sozusagen oder als Belohnung, wenn ich brav war. Aber auch als Betthupferl, wenn ich abends an ihr Bett gehe, um ihr "gute Nacht" zu sagen, oder morgens "guten Morgen." Frauchen weiß schon, was ich mag.
Diese Tüten trägt sie dann in die Küche. Ich gehe hocherhobenen Hauptes hinterher, die Rute freundlich wedelnd hoch über dem Rücken getragen. Frauchen verstaut alles im Kühlschrank und in den Obstschalen. Wenig später kann man die Töpfe und Pfannen klappern hören, die sie auf den Herd stellt. Und dann durchzieht ein Duft von Gebratenem und Gekochtem das Haus, dass ich gar keine Lust mehr habe, die Küche zu verlassen. Ich bin Frauchens Küchenchef und koste das Essen. Sie schaut mir immer aufmerksam ins Gesicht, wenn ich ein Stückchen probiere. Wenn ich es nicht fresse, wird Frauchen sehr nachdenklich, probiert noch einmal die Speise, schwingt den Salzstreuer über die Töpfe, dreht an der Pfeffermühle.
Später stellt die alles in den kühlen Vorratsraum.

Und dann naht der große Tag, der eine schöne Zeit einläutet, in der wir gemeinsam Spaziergänge in die Wälder des Sauerlandes machen und bis in die Nacht hinein plaudern werden. Die Zeichen sind eindeutig: der Esszimmertisch bekommt ein Tischtuch. Nicht "ein" Tischtuch, nein ein ganz bestimmtes: ein beige-braun gemustertes, das über den ausgezogenen Tisch gelegt wird. Das hat die Freundin genäht. Die Platzsets werden darauf drapiert, Geschirr und Besteck und eine Vase mit duftenden Blumen.
Dann weiß ich: nun ist der Tag da!
Frauchen hatte schon ihr Handy ans Ohr genommen und telefoniert. Sie weiß genau, wann was geschieht. Ich aber nicht. Ich muss aufpassen.
Ich lege mich dann erwartungsvoll in mein Körbchen, den Blick aufmerksam zur Tür gerichtet, die Ohren gespitzt: wirklich: irgendwann an diesem Tag passiert es: ein Auto fährt vor. Ich kenne das Geräusch aus tausenden: es ist das Auto der Freundin! Dann läuft Frauchen zur Tür: die Wangen vor Freude gerötet. Sie putzt die Hände noch schnell am Küchentuch ab, wirft das Küchentuch achtlos auf den Stuhl, denn natürlich war sie in der Küche und hat das Essen fertiggemacht.
Die Tür bleibt weit geöffnet, Frauchen läuft die Treppe hinunter, ich hinterher: das Auto steht neben dem Haus, genau vor der Tür des Pferdestalles. Die Autotür ist geöffnet, ein Bein der Freundin ist schon draußen. Der Reisekorb mit Muschi, der Schildkröte steht schon davor. Ich beschnuppere den Korb aufgeregt. Jetzt steigt sie aus. Frauchen läuft auf sie zu. Sie umarmen sich. Doch ich habe es gesehen: eine Hand hat die Freundin ausgestreckt: sie hält etwas in der Hand! Die Hand geht in Richtung meiner neugierig schnuppernden Schnauze: ich nehme das leckere Mitbringsel und freue mich: jetzt ist sie da!!

(c) Annette Gonserowski

Mauer


Am Haase- Haus in Kierspe
(c) Annette Gonserowski


Die Mauer
zwischen uns,
wiegt schwer
auf den Schultern.
Trage sie fort.
Sieh, die Leere,
dort,
wo die Steine waren:
weiß ist sie
und rein.
Laß uns staunen,
betrachten,
vorsichtig atmen am Rand,
den Zauber nicht stören,
nicht füllen
mit Vergangenem.

(c) Annette Gonserowski

16. November 2007

Cyberlove


Paderborn Am Paderwall

Du bist mir nah,
Du siehst mich nicht,
Du spürst mich nicht,
siehst nicht das Leuchten in den Augen.

Ich kenn Dein Wort,
ich kenn Dich nicht,
weiß nichts von Dir,
weiß nichts von Deinem Leben.

Dein Wort, es schwingt aus Dir,
es schwingt zu mir,
es schwingt zurück zu Dir,
läßt uns mit Silben schweben.

(c) Annette Gonserowski

14. November 2007

Wach


Hündchens (Aus-) Plauderei

Erwachen

Ich erwache. Meine langen Beine strecke ich wohlig aus, so lang, dass sie die Wände meines Schaumstoffbettchens berühren, das mein Frauchen in die Nähe der Heizung gestellt hat. In das Körbchen hinein hat sie eine flauschige Decke gelegt, sie über die Ränder geschlagen, damit sie nicht herausrutscht, wenn ich mich, wie jetzt, an die weichen Wände schmiege.
Ich öffne vorsichtig die Augen. Es ist noch dunkel. Durch die Lamellen des Fenstervorhangs fällt nur der Schein der Terrassenlampe, die Frauchen abends einschaltet, damit ihr gedämpftes Licht ins Esszimmer fällt. Dann kann ich mich besser orientieren, wenn ich nachts wach werde.

Ich werde manchmal wach, klettere dann aus dem Körbchen heraus und lege mich an verschiedene Stellen in der Wohnung. Ich lege mich gern an das Fenster im Wohnzimmer, oder vor den Wohnzimmertisch auf den dicken Teppich. Manchmal lege ich mich auch genau hinter Frauchens Lesesessel. Das ist ein gutes Versteck, denn man sieht mich nicht sofort, wenn man das Wohnzimmer betritt.
Vorgestern wollte ich mich gerade vor dem Wohnzimmertisch auf den Teppich legen, als ein verlockender Duft meine Nasenflügel vibrieren ließ. Der Duft von frischem Butterspekulatius. Das ist eine Köstlichkeit, die mich verzückt. Ich hab dann meine Schnauze über den Tisch gehalten und siehe da: es befand sich wirklich noch ein Spekulatius in dem weißen Schälchen, das auf dem Tisch stand. Dieses Schälchen ist aus so hauchdünnem Porzellan, dass man die dahinter stehende Kerze schimmern sieht, wenn man genau schaut. Als ich den Spekulatius vorsichtig daraus nehmen wollte, fiel das Schälchen auf den Teppich. Niemand hatte das gehört, weil der Teppich den Aufprall dämpfte. Zum Glück ist es heile geblieben, denn Frauchen war am nächsten Morgen erschrocken, als sie das Schälchen auf dem Teppich liegen sah. Dieses Schälchen ist ein Erbstück von ihrer Mutter und sie hütet es wie einen Augapfel.

Ich schnuppere mal in Richtung des Wohnzimmers. Heute riecht es neutral: nirgendwo ein Hauch des Duftes von Butterspekulatius.Ich schaue in Richtung der Schlafzimmertür von Frauchens Schlafzimmer. Die ist immer weit geöffnet, damit Frauchen hören kann, wenn ich im Haus herumgehe. Aber auch, damit ich jederzeit zu Frauchen gehen kann.

In der vergangenen Nacht bin ich nur einmal zu Frauchen gegangen. Ich wollte, dass sie mich herauslässt. Ich hab mich im dunklen Zimmer neben Frauchens Bett gestellt und nur gewartet, was passiert. Eigenartigeweise wird Frauchen meist sofort wach, wenn ich da bin. So auch in der vergangenen Nacht. Sie schaute mich an und fragte: "Was möchtest Du denn? Willst Du raus?" Und dann hat sie ihre Bettdecke zurückgeschlagen, die Beine aus dem Bett gestellt und ist aufgestanden. Unter dem Arm hatte sie ihre beiden Körnerkissen. Wir sind dann zusammen in die Küche gegangen. Frauchen hat die Körnerkissen in die Mikrowelle gelegt und die Zeitschaltuhr auf 4 Minuten gestellt. "Aha", hab ich gedacht, "Vier Minuten also. So lange darf ich draußen bleiben." Frauchen hat die Tür zur Terrasse aufgemacht und ich bin hinausgelaufen. Auf der Terrasse war ein Igel, der genüsslich das Vogelfutter schmatzte Ein mittelgroßer Igel, nicht mehr winzig und noch nicht richtig erwachsen. Ich hab ihn erst einmal von der Terrasse gejagt. Das hat Frauchen aber mitbekommen und mich sanft in Richtung der Wiese geschoben. Da war eine Überraschung: Schnee lag auf dem Gras! Weißer, frischer Schnee. Der erste dieses Winters! Ich liebe Schnee. Es ist herrlich im Schnee zu tollen. Es ist spannend, die vielen Spuren zu verfolgen, die kreuz und quer über die Wiese führen: Hasenspuren, Katzenspuren, Abdrücke von kleinen Igelpfoten, die filigranen Gebilde, die die zarten Vogelbeinchen im Schnee hinterlassen. Ich stecke meine dicke Nase in jede einzelne Spur und laufe ein Stück auf ihrem Weg.
Und ich fresse den Schnee so sehr gern! Schnee ist köstlich. Er ist frisch und stillt den Durst. Ich mampfe den Schnee voll Behagen und schmatzte dabei wie ein Igel.
Vier Minuten sind schnell herum und so kam Frauchen viel zu früh aus der Terrassentür, um mich zu holen. Aber nicht mit mir und dem frisch gefallenen Schnee!! Ich habe gesehen, wie sie aus der Tür heraustrat und mein Winterspielchen eingeleitet: ich hüpfte, so schnell es meine alten Beine zuließen, durch den Schnee auf sie zu und um sie herum. Ich habe meine Pfoten hoch in die Luft geworfen, dass die Vorderbeine sich kreuzten. Dann bin ich wie ein Pflitzebogen davon geschnellt und wieder auf Frauchen zu. Und natürlich war es so wie immer: Frauchen lachte vor Freude. Am Tag spielt sie dann mit mir und versucht auch um mich herumzuhüpfen. Aber das gelingt ihr nicht mehr so gut, wie vor einigen Jahren. Doch heute lachte sie nur und rief: "Komm her, Du Schlingel, wir müssen weiterschlafen." Ich hüpfte noch einmal um sie herum. Sprang noch einmal viel höher, wie vorher. Da machte es fast gar nichts, dass ich das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte und unsanft auf meinem Hinterteil landete. Ich hab mich schnell wieder aufgerappelt und bin, so schnell es meine alten Beine erlaubten, an den Rhododendronbusch gelaufen, um mein Beinchen zu heben. Ja, und das war Frauchens Chance. Sie rutschte auf ihren Birkenstocksclogs auf mich zu und packte mich fest, aber nicht unsanft, am Nackenfell. Ich nahm noch eine Schnauze voll Schnee und ging dann mit ihr ins Haus. Frauchen trottete mit ihren Körnerkissen in Richtung des Schlafzimmers, löschte das Licht und war kurze Zeit später wieder eingeschlafen. Es dauerte nicht lange und ich schlief auch wieder tief und fest.
Als ich das zweite Mal wach wurde, bin ich nicht zu Frauchen gegangen, sondern in die Küche. Ich hatte Hunger. Kein Spekulatiusduft weit und breit. Was blieb mir da anders übrig, als im Fressnapf nachzuschauen, ob ich vielleicht doch noch einen kleinen Rest vom Abendessen übrig gelassen hatte. Frauchen hatte mir nämlich Bulgur gekocht, das sie vorher in Olivenöl angeröstet hatte. Darin etwas Lauch, ein wenig vom gegrillten Hähnchenfleisch und eine Portion meines Dosenfutters - das esse ich sehr gern. Ich hatte aber am Abend alles aufgegessen, so dass ich nur die Napfwände noch einmal auslecken konnte. Und das hab ich auch gemacht! So sorgsam, dass der Napf in seinem Gestell laut rappelte. Das wiederum hat Frauchen geweckt, denn plötzlich hat sie im Türrahmen gestanden, ganz verschlafen, die Haare wirr um den Kopf herum. Sie ist dann zu meiner Vorratstonne gegangen und hat etwas Trockenfutter in meinen Napf geschüttet. Danach hat sie sich wieder ins Bett gelegt und wenige Minuten später war sie schon wieder eingeschlafen.

Apropos schlafen: seitdem ich ein älterer Hundeherr bin, schlafe ich sehr gern und ausgiebig am Tag. Wenn Frauchen zu Hause ist, schaue ich, wo sie ist, lege mich in ihre Nähe und schlafe zufrieden ein. Frauchen sagt, ich schnarche, wie ein Bär. Ich will ja nichts sagen, aber es passiert Frauchen auch, dass sie beim Lesen einschläft und das Buch aus ihrer Hand fällt. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass auch sie laut atmet, wie sie es nennt - und das ist kein Märchen, das Herrchen erzählt. Wenn sie dann wach wird, reibt sie manchmal ihren Nacken, der von dieser unbequemen Schlafhaltung steif geworden ist. Dann muss ich lächeln, denn auch meine Knochen muss ich stets erst einmal recken und strecken, wenn ich geschlafen hab. Sie sind dann steif und ich gehe die ersten Schritte holprig und staksig. Frauchen fährt einmal in der Woche mit mir zur Physiotherapie. Und das tut mir und ihr gut. Sie sitzt immer ganz verzückt dabei und freut sich, wenn ich durchgeknetet und gedehnt werde. Sie jauchzt und lacht und ich habe oft den Eindruck, als ob sie sich am liebsten mit auf die Matte legen würde. Wenn sie aber selbst zur Massage geht, dann muss ich zu Hause bleiben. Das finde ich echt ungerecht.

Nun muss ich aber doch mal schauen, ob Frauchen wach ist. Es ist doch schon 5 Uhr. Wäre es Sommerzeit, wäre es schon 6 Uhr und Zeit, dass Frauchen aufsteht. Es ist noch dunkel im Schlafzimmer. Kein Lichtschein fällt durch die geöffnete Tür, der mir zeigen würde, das Frauchen schon wach ist und lesend im Bett liegt.
Ich stakse aus dem Bett heraus. Der Schein der Terrassenlampe erleuchtet spärlich den Weg in Frauchens Schlafzimmer. Ich gehe durch den kleinen Vorflur, von dem auch eine Tür ins Badezimmer führt. Auch diese Tür ist geöffnet. Frauchen mag keine geschlossenen Türen in der Nacht. Nur die Haustür ist verschlossen. Das prüft sie abends immer noch einmal nach, bevor sie endgültig zu Bett geht. Ich kenne den Weg zu Frauchens Bett im Schlaf. Ich gehe rechts am Bett vorbei, um das Bett herum. Im Sommer fällt schon früh das Licht der aufgehenden Sonne durch die Lamellen der Rolläden. Doch heute ist es dunkel. Wie ein dunkler Schemen stelle ich mich neben Frauchens Kopfkissen. Ich schaue auf sie herunter: dort wo sich einst ein dunkler Haarschopf auf dem Kissen ausbreitete, liegen nun Frauchens Haare grau mit schwarzen Strähnen. Kommt es mir nur so vor? Ich meine, ihr Kopf sei kleiner geworden. Heute liegt er blass auf dem harten Nackenkissen. Sie sieht entspannt aus. Manchmal jedoch sieht sie müde und abgespannt aus. Dann mache ich mir Sorgen, passe auf sie auf. Jetzt atmet sie still. Eine Hand hat sie unter den Kopf gelegt. Wie lieb ich mein Frauchen habe. Genauso lieb, wie sie mich hat, sagt sie immer. Wir streiten uns dann und ich sage immer: "Ich hab dich ganz, ganz lieb und noch viel lieber," und wedle ganz heftig mit meiner Rute. Wenn ich ihr dann auch noch als Beweis ein nasses Küsschen mitten auf die Nase geben will, lacht sie und zieht den Kopf fort.

Ich zögere. Soll ich sie heute mit solch einem Küsschen wecken? Das mache ich oft.
Ich nähere mich erst einmal vorsichtig ihrem Gesicht. Spüre ihren Atem. Sie schläft noch immer. Jetzt bewegt sie sich. Ich bleibe still stehen, schaue sie nur an. Sie schlägt die Augen auf: "Mein Junge..."
"Mein Junge", das sagt sie oft zu mir, auch jetzt noch, wo ich wahrlich schon sehr alt bin. Oft sagt sie sogar: "Mein kleiner Junge". Dabei bin ich ein richtig großer Airedale- Rüde. Ich wundere mich immer: Wenn ich an ihrem Bett stehe, schlägt sie meist kurz danach die Augen auf und ist hellwach. So von jetzt auf gleich. Kein Recken und Strecken, wenn sie merkt, dass ich raus will. Sie mault noch nicht einmal, wie ich es gern mache, wenn sie mich wach macht, um mit mir spazieren zu gehen. Aber wenn ich ehrlich bin, hat sie sich auch da ein wenig gebessert: sie macht mich meist ganz sanft wach, indem sie zärtlich über meinen Rücken streichelt. Dann lässt sie mich erst einmal wach werden, bevor sie mir den Hundemantel anzieht. Über den lachen manche Menschen, wenn sie mich sehen. Sollen sie doch. Pferde lässt man auch nicht ungeschützt durch den Regen gehen. Auch sie tragen Decken. Und die Menschen erst! Was tragen sie nicht alles, wenn es regnet! Vor Allem diese Regenschirme. Habt Ihr schon mal einen Hund mit Regenschirm gesehen? Dann doch lieber mein regendichter Hundemantel. Ich hab es gern, wenn es regnet und ich darin wassergeschützt meines Weges gehe.
Ja, richtig, meines Weges. Frauchen geht immer die Wege, die ich gehen möchte. Wenn sie mal etwas anderes wagt, dann bleibe ich stehen, halte meinen Kopf starr nach unten, ramme meine Beine in den Boden, so dass sie vergeblich an der Leine zerren würde. Das tut sie ohnehin nicht, sondern trottet mit mir auf meinem Weg. Ja, wir sind langsamer geworden, genießen die Landschaft noch gemächlicher. Ich schnuppere mal hier und mal dort. Sie schaut mal hier und mal dort nach singenden Vögeln und aufspringenden Knospen und nun nach Grashalmen, die aus dem Schnee ragen. Früher bin ich mit ihr durch die Wiesen getollt und von links nach rechts und von rechts nach links über den Bach gesprungen. Frauchen hat gejauchzt vor Freude und ich bin regelrecht ausgeflippt. Nun gehen wir auch noch zum Bach, ich manchmal hinein, um zu trinken. Frauchen steht dann am Ufer und schaut mir und den Wellen zu. Frauchen erzählt mir immer etwas, wenn wir unterwegs sind. Auch Geheimnisse - aber die verrate ich niemanden. Darauf meine Pfote, nicht einmal Emma, meiner liebsten Hundefreundin.

Nun schlägt Frauchen die Bettdecke zurück. Langsam setzt sie ihre Beine aus dem Bett, angelt nach ihren Birkenstocks. Sie greift einmal in ihren Rücken, reckt sich und steht auf. Ich trotte vor ihr her, sie trottet hinterher in Richtung der Küchenterrassentür. Ich spüre, wie nah sie mir ist. Ihre Nähe umhüllt mich. Sie atmet meine Nähe. Wir sind glücklich.

(c) Annette Gonserowski

11. November 2007

Kirchweg


(c) Annette Gonserowski

Wie oft schon gegangen,
voll Freude,
voll Trauer,
voll Hoffnung,
jung
und
alt,
Stufe
um Stufe,
dem Himmel näher.

(c) Annette Gonserowski

Paderborn












(c) Annette Gonserowski


Verweile,
Augenblick,
flüchtige Zeit.
Frei Quellbaches Wellenklang,
frei noch das Licht,
schwer rundherum die Steine.
Hoch über Domes tiefem Schweigen
gurrt die Taube
Hoffnung.

(c) Annette Gonserowski

9. November 2007

Herbst



So farbenfroh,
so federleicht,
so voller Knistern,
voller Schweben,
so voller letzter Glut,
so voll Vergänglichkeit -
Du meine Liebe -

Herbst.

(c) Annette Gonserowski

7. November 2007

Zur Info

Christines Blog ist wieder aktiv!

Ich hab ihn verlinkt!

5. November 2007

Übergang

Dieser Übergang
vom Schwarz, zum Grau,
zum Weiß,
von Jung zu Alt,
von Gestern, zu Heute, zu Morgen,
von der Liebe zur Sehnsucht.


(c) Annette Gonserowski

für G.R.

Im Wort

Leben
im Wort.
Zwischen Buchstaben
und Silben
geborgen,
sein.

(c) Annette Gonserowski

3. November 2007

Wenn die Nähe schwindet


In unserer Veranstaltung: (c) Silvia Baukloh

Wenn die Nähe schwindet,
weitergehen,
herzschwer,
auf steinigem Weg,
am Fuße der Mauer.
Wissen,
das Leben ist Wandel,
Berg und Tal,
Ebbe und Flut,
Regen und Sonne,
Winter und Frühling,
Auf und Ab.

(c) Annette Gonserowski