Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




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1. November 2009

Mein Liebstes


Oft werde ich gefragt, was mein liebstes, eigenes Gedicht ist.

Es gibt soviele, die ich selbst gern wieder betrachte. Mit ihnen tauche ich in die Erinnerungen an den Tag des Schreibens ein, an den Moment, an den Gedanken, an das Gefühl.

Dieses Gedicht entstand an einem Sonntag. Ich fuhr mit meinem Dichterkollegen Gernot Burgeleit und meinem Zwillingsbruder nach Münster. Dort waren wir zur feierlichen Übernahme des literarischen Nachlasses von Ernst Meister in das Westfälische Literaturarchiv eingeladen. Diese Übernahme fand in einem großen Festakt statt.

Vorher hatten wir noch etwas Zeit und besuchten das Picasso-Museum. In Picassos grafischen Werk ist wunderschön erkennbar, wie er seinen Stil von detailgetreuen Zeichnungen immer weiter minimierte, bis dass zum Schluß nur noch ein Strich genügte, um den gleichen Gegenstand - in diesem Fall eine Taube - dazustellen.

Bei dem Festakt im Literaturarchiv wurden die Werke Meisters rezitiert, gesungen, geschauspielert, in Kunstwerken dargestellt. Auch seine eigenen Gemälde wurden gezeigt. Es war eine Ausstellung vieler Gegenstände zu sehen, die ihn auf seinem künstlerischen Weg begleiteten: Füllfederhalter, Zettel, auf die er Gedichte schrieb, Fotos, sogar eine kleine Additionsrolle einer Rechenmaschine, auf die er ein Gedicht gekritzelt hatte. All die Dinge, die auch mich in ähnlicher Form umgeben. Bei der Lesung seiner Gedichte stellte ich fest, wie er sich von den anfänglichen Langzeilen löste und hinterher nur noch wenige Worte benötigte, um genau diese Stimmung auszudrücken.

Für mich war es ein glückliches Erlebnis, hieran teilzunehmen, denn Ernst Meister ist mein großes Vorbild, ebenso wie Hilde Domin, diese große Dichterin, die mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. Später stellte ich fest, dass Hilde Domin es war, die Ernst Meister für den Büchner-Preis vorschlug. So schloß sich für mich der Kreis meiner Vorbilder. Bei Wikipedia sind u.a. die Würdigungen und erhaltenen Preise zu lesen, mit denen diese großen Dichter ausgezeichnet wurden. Beeindruckend besonders Hilde Domin.

Faszinierend ist seitdem meine Beobachtung des Minimalismus: der Schmuck unseres Freundes Günter Wermekes spricht die gleiche Sprache. Er sagt dazu: "Durch Konzentration auf das Wesentliche entstehen Formen, die sich jeder Mode entziehen."

Kürzlich durfte ich seinem Vortrag über Minimalismus in der Architektur lauschen und die eindrucksvollen Fotos dazu betrachten.

Minimalismus in der Musik finde ich z.B. in den Werken des mir bekannten Komponisten Frank Zabel.

Und darum stelle ich dieses Gedicht vor, weil es mein Bemühen um die Reduzierung der Worte zeigt. Dies ist mein Ziel.

Liebe

Meine Worte
zu abgegriffen,
zu ungenau,
zu begrenzt,
zu wenig
und jedes Wort
zuviel,
nur eines -
Liebe.

(c) Annette Gonserowski