Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




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14. Juni 2016

Ein Morgen im Süden



 

Ich möchte dich an dem heutigen  Morgen am Meer teilhaben haben lassen.

Es schläft noch fast, das Meer, an diesem Morgen. Verschlafene Wellen plätschern an den Fels, rollen über Kiesel, um zu verträumen an Land.

Kiesel, rund wie der Mond, der noch immer über dem Bergmassiv steht, rund wie die Muttererde, rund wie das All.

Am Himmel schon Venus, hellwach nach langer Nacht.

Das Meer pastellen in seiner Ruhe, silbern wie das Haar der Großmutter, zart wie die rosafarbene Haut eines Säuglings, geheimnisvoll wie das Blau deiner Augen im Morgengrauen.

Unweit ein springender Fisch. Silberner Augenblick, schon wieder versunken.

Weit hinten am Horizont auf der Straße von Gibraltar nach Marseille, ein weißes Schiff.

Lautlos zieht es vorbei. Reisende zwischen Nacht und Tag, zwischen Abend- und Morgenland.

Ganz weit hinten, in der gedachten Linie von der Landzunge über das Meer, in Höhe der schwarzen Palmwedel, färbt sich der Himmel rosa.

Warte noch. Einen Augenblick vielleicht. Schon wird er farbiger. Das Rosa wird dunkler, verfärbt sich zum Purpur, beginnt nun zu leuchten.

Nachtmüde segelnde Wolken beginnen zu glänzen.

Strahlenumsäumte Boten des Heute.

Purpurn nun Himmel und Meer.

Dicht auf dem Meer ein Glühen, ein winziges Halbrund.

Schon wird es größer. Besiegt nun das Meer, erobert den Himmel. Kreisrunde, nachtrote Sonne. Wegbereiter des neuen Tages.

Auf dem Meer, auf glitzernden Wellen, nun ihre Straße. Ihr Ahnen und Werden, ihr Träumen und Wissen.

Verbindung zwischen Nacht und Morgen.

Nun streben die Fischer vom Meer in Richtung des Hafens.

In langer Reihe ziehen die Boote, weiß wie die Muscheln auf dem Meeresgrund, weiß wie die Gischt auf den Wellen. Weiß auch die Möwen darüber, weiß deren fordernder Schrei.

Höher die Sonne am Himmel. Golden bereits, vertreibt sie den Mond hinter die Felsen des Berges, lässt das Bergmassiv erstrahlen, auch heute für eine kurze Weile.

Erwacht sind die Wellen, geschwätzig und rastlos in dieser jungen Zeit.

Ich wende den Schritt.

Dies war meine Stunde, zwischen Schlaf und Erwachen.

War selbst Gestern und heute.

Gehe nun in diesen Tag.

 
© Annette Gonserowski

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