Das späte Nachmittagslicht fällt
durch die eilenden Wolken. Der Himmel ist grau. Schneebedeckte Tannen säumen
den Weg, der auf die Anhöhe führt. Sie tritt aus dem Wald heraus. Spuren der
Waldtiere durchziehen das reine Weiß der Schneedecke auf dem Feld. Der Wind
treibt die Schneeflocken über das Feld, umhüllt auch sie. Es ist der Nachmittag
des Heiligen Abends. Sie stapft durch den tiefen Schnee, ihr Hund springt
übermütig um sie herum, beißt voller Übermut in Schneewehen, um weiterspringen,
den Spuren nach, in die er seine dicke Schnauze steckt.
Stille – der Schnee schluckt alle Geräusche. Nur die Tannen auf dem Berg
rauschen behäbig im Wind, bewegen sich kaum sichtbar unter der Schneelast.
Stille, die in ihr Herz dringt.
Vom Dorf im Tal dringt Glockengeläut zu ihr herauf.
Nachdenklich und wehmütig geht sie Schritt für Schritt über die Lichtung
zwischen den Wäldern, erwehrt sich nicht der Gedanken, die aus dem
Flockentreiben in sie dringen. Sorgen und das Gefühl der Einsamkeit machen das
Herz schwer. Der Mensch, der sie liebt, den sie liebt, ist Kilometer entfernt
in einer Klinik.
Die Kälte rötet ihre Wangen, kriecht durch den Stoff ihrer Hose, lässt die
Schenkel prickeln. Ein längst vergessenes Kindheitsgefühl breitet sich in ihr
aus, wohlig und tröstend.
Sie wird eins mit der Stille.
Mit jedem Schritt dem Glockenläuten näher, geht sie hinunter ins Tal, sieht von
weitem Kinder an den Händen der Eltern zur Kirche gehen, hüpfend vor Freude.
Da werden auch ihre Füße leichter. Nun hüpft auch sie, zaghaft zunächst. Der
Hund, fröhlich um sie herum, schnellt auf sie zu, nimmt ihr Spiel auf. Die
Schneeflocken, weiß und rein, wirbeln leicht um ihr Lachen.
(c) Annette Gonserowski
aus: Weihnachtsbüchlein
ISBN 978-3-7529-887
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