Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.








28. März 2016

Erinnerung

(c) Annette Gonserowski
Acryl auf Leinwand
ca. 2004


Ich betrachtete die Homepage eines Dichterkollegen, der sich heute der Malerei zugewandt hat. Wir haben gemeinsam das Buch "Flamenca - der unschuldige Duft des Jasmins" herausgebracht.
Da erinnerte ich mich eines meiner Gemälde, das in dieser Zeit entstand und eines Gedichtes aus diesem Buch:

Der Nachtfalke

Ein Nachtfalke
flog durch meinen Traum.
Weiß nicht
woher er kam,
weiß nicht,
wohin er flog.
Er flog durch meinen Traum,
mit Sehnsucht im Gefieder
und der Wärme eines fernen Raumes.
Es blieb
die Kontur des Flügelschlags
auf meinen Lippen und
sein Bild in meinen Augen.

(c) Annette Gonserowski

Siehe dazu auch meinen Post vom 22.3.2011

20. März 2016

Essay: Vom Gedichteschreiben






geschrieben im 2016 am Mittelmeer

Wieder bin ich am Meer, schaue auf das Wasser. Heute kräuselt es sich im sanften Wind. Die Bläue des Himmels spiegelt sich auf den Wellen.

Ich atme tief durch. Die Frische der Luft, getränkt vom Meersalz und Spuren der Algen, strömt in meine Lungen. Mein Herz scheint weit zu werden, möchte sich aufschwingen in den hohen Himmel, oder bis ans Ende des Meeres, wo Geschichten von tausend und einer Nacht rankten, erzählten von Sehnsucht und Liebe, von Düften wie Opium und Weihrauch und denen  der fremden Gewächse. Dorthin träumte ich mich einst. Schrieb Zeile um Zeile.

Heute erfüllen Kriege die Länder am anderen Ende des Ufers. Morden, Heimatlosigkeit und Leid schreiben neue Geschichten.

 Kann ich heute noch davon schreiben, dass das Meer auch heute noch die Bläue des Himmels trägt, der Ruf der Möwen wie Lachen den Wind übertönt, kleine Vögel emsig am Saum des Meeres ihr Futter suchen, geschickt jeder Welle ausweichen. Heute wie einst bauen Kinder ihre Burgen, legen Künstler ihre flüchtige Spur in den Sand. Einzelne Blüten der Bourganvilla und des Jasmins treiben auch heute verweht an dem Strand.
 
Und doch: das Meer hat seine Unschuld verloren. Das Leben hat seine Behaglichkeit verloren, seine scheinbare Idylle, in die man sich träumen, schreibend verlieren konnte.

Der Realität kann man nicht ausweichen, den Gedanken nicht entkommen.

Dennoch: ein lieber Dichterfreund schrieb einmal ein wunderbares Gedicht, das mindestens zwanzig Jahre unter meiner Schreibtischunterlage im Büro lag, das mich im Stress entspannte, wenn mein Blick darauf fiel. Schon das ein Grund zum Schreiben und Veröffentlichen von Gedichten.
 
Ich denke über mein Schreiben, über das Gedichteschreiben im Alter nach.

Seit nahezu vierzig Jahren schreibe ich Gedichte. Meist waren es persönliche Gedichte, oft umschrieben Metaphern der Natur Sehnsucht und Liebe, Trauer und Tränen. Vierzig Frühlinge, vierzig Sommer, Herbste und Winter spiegeln sich in ihnen. Wie viele Abschiede, wie viele Begegnungen, wie viel Sehnsucht und Hoffnung finden sich in den Zeilen.

Kann ich heute noch von Liebe und Sehnsucht schreiben, von Hoffnung, vom hüpfenden Herzen und Freude, die aus den Augen springt?

Ja, es gibt sie auch heute noch. Sie wird ja nicht abgelegt, wie ein alter Mantel.

Bei Lesungen spüre ich, wie unangenehm es mir ist, wenn ich von Liebe lese.
Liebe - wird sie einem Menschen im reifen Alter zugestanden? Möchte ich noch über diese Gefühle schreiben, sie dem Leser und Hörer anvertrauen?

Möchte ich über Kriege schreiben, über das Köpfen Unschuldiger, möchte ich die Einbrüche auch in mein persönliches Leben thematisieren, über die Unsicherheit, die nicht nur das Alter mit sich bringt?

Sind da Zeilen eines Gedichtes angebracht, oder sollte ich mich der langzeiligen Prosa zuwenden, die viel mehr Raum bietet für einen Aufschrei?

Möchte ich darüber schreiben?

Immer wieder schrieb ich auch Gedichte über Missstände, über Kriege; Umweltbedrohung, oder einsame Menschen in Seniorenheimen, schrieb über das Vergessen.

Als ich Anfang vergangenen Jahres in einer Lesung Gedichte über Krieg und Asyl vortrug, sagte nach der Lesung Jemand zu mir: “Du hast es aber heute mit dem Krieg.”

Es war mir ein Anliegen, diese Gedichte zu schreiben, auch hier am Mittelmeer, und sie zu lesen in der Stunde zum Mittag hin im Winter des behüteten Sauerlands.
 
Eine Dichterkollegin sagte einmal: “Nach den Wechseljahren sollte man keine Gedichte mehr schreiben,” Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob sie das geschlechterübergreifend meinte. Sie jedenfalls wandte sich vermehrt der bildenden Kunst zu, schuf Skulpturen mit beeindruckender, oft bedrückender Ausstrahlung,

Und doch: wenn ich die Gedichte meines nahen Dichterfreundes Christophe Bossu lese, der mit seinen Haiku Kleinodien voller Gefühle und zarten Bildern schreibt, atme ich auf, lasse mich in den Morgennebel tragen oder forttragen mit dem Schrei der ziehenden Vögel. Sie haben heute noch ebenso ihre Gültigkeit wie in meinen alten Gedichten, in denen ich diese Stimmungen beschrieb.

Lese ich die Gedichte von meinem Freund Michael Starke, kann ich nicht anders, als bewundernd diese Zeilen in mir aufzunehmen. Alltägliche Themen voller Gefühle und Nähe fasste er in unnachahmlicher Weise in seine wunderbaren Gedichte. Er, ebenso alt wie ich, fand auch Worte für das Leben außerhalb der Kriege, Worte über das Leben vor seinem Fenster, seiner Straße, über seine Gefühle.

Oder Gerhard Rombach, Dichterfreund und Dichterpartner seit vielen Jahren, mit dem ich Dialoggedichte schrieb. Er schreibt weiterhin, beleuchtet Missstände, schreibt über Kriege und Liebe, über die ganze Bandbreite des Lebens.

Was soll ich schreiben?
Über das, was in mir ist. Und all das ist in mir: das Leben mit all seinen Facetten, mit all seinem Reichtum, seiner Bedrückung, Bedrohung, seiner Freude und Freiheit. Die Freiheit ist in mir, auch wenn sie ungreifbare Grenzen durch das Alter aufgezeigt bekommt. Ich möchte dennoch schreiben, auch über die Freude,

Ich schrieb vor vielen Jahren einmal ein Gedicht und die Redakteurin eines Radiosenders setzte es an den Anfang unseres Radiointerviews:

 Alles
schon geschrieben,
alles schon gesagt,
alles,
was wir lieben,
wurde hinterfragt.

Was ist davon geblieben?:

alles
schon gesagt.

Sie fragte mich damals, warum ich dennoch weiter schreibe, wenn ich doch alle schon geschrieben hätte. Ich erwiderte ihr, dass ich mit meinen Gedichten, die damals überwiegend die Natur als Metapher beschrieben, aufrütteln und sensibilisieren wollte, für die Schönheit und Gefährdung der Natur und des Lebens.

Heute würde ich sagen: es ist in mir und möchte geschrieben werden.

Und so werde ich wohl weiterhin schreiben.

(c) Annette Gonserowski

18. März 2016

Die Welt brennt





Die Welt brennt
an allen Enden
wie ein Scheiterhaufen,
an dem die Flammen züngeln
und lodern.

Hör, wie es knistert
von innen her,
wie lodernde Fackeln
getragen werden
von weit her.

Die Welt
ist ein glühender Ball,
auf dem wir tanzen
mit verbundenen Augen,
im ewigen Maskenball.

(c) Annette Gonserowski

16. März 2016

Meeresrauschen




Durch die graue Luft
höre ich das Meer,
wie es mich ruft
und lockt,
wie es braust
und brandet,
sich entzieht.

Kein Schritt zu ihm,
kein Schritt,
nach dem das Wasser züngelt,
kein Schritt zu weit.

Es kommt von Ferne her,
verschluckte Menschen
von fremden Ufern.
Sie sind in seinen hohen Wogen,
sind in seiner Verheißung
der Freiheit.

Ich höre
durch dichten Nebel
das Meer,
wie es nach mir ruft
und mich verstößt.

(c) Annette Gonserowski

15. März 2016

Baila bajo la lluvia



"Baila bajo la lluvia",
las ich
und wollte tanzen
unter dem Regen.

Kein Tropfen
auf meinem Kopf,
keine Melodie,
in der das Herz schwingt,
dass die Füße
wirbeln möchten
über den Strand.

So stehe ich still
am Ufer des Meeres
auf sandigem Grund,
machtlos dem Sog.

(c) Annette Gonserowski

14. März 2016

Kaltes Land



Spanien -
ein kaltes Land
mit heißer Sonne,
sagt man.

Und ich darin,
ein Mensch
mit kühler Aura
und warmen Kern.

Wie fremd wir uns sind,
trotz Blüten im Februar,
Jasminduft bei Nacht.

Verloren bin ich im Land,
verloren am Saum des Meeres,
verloren vor dem beständigen Horizont.

(c) Annette Gonserowski

13. März 2016

Meine Gedichte an der Costa Blanca



Beim Treffen der Kultur- und Literaturfreunde in Moraira werden meine Gedichte von der Veranstalterin  Natascha Mirchnow vorgetragen.

Ich freue mich darüber und danke ihr dafür. Ich bedauere, dass ich nicht dabei sein kann.

12. März 2016

In der Stille











in Memoriam Michael

Kein Wort zu wenig
in der vollkommenen Stille.

Am seidenen Faden
des Schweigens
meine Worte,
die ich rufen möchte
gegen den Sturm,
die ich reden möchte
gegen das Schweigen
oder flüstern
in dieser stillen Zeit.

Am seidenen Faden
des Schweigens
denke ich meine Worte
zu Dir.

(c) Annette Gonserowski

11. März 2016

Im Sturm




Der Sturm fegt
über das Land,
als würde er wütende
Worte schleudern
von ferne.

Reißt an den Wedeln der Palme,
die einst Schatten spendeten
über den Schwüren
der Liebenden.

Sie, die leise knisterten
im lauen Wind,
zärtliche Worte bewahrten,
ächzen und schreien.

(c) Annette Gonserowski

10. März 2016

Rondell für Sabine




Dich umarmen,
Freundin,
nach langer Zeit.
Dich umarmen,
vertraut sein
und nah.
Dich umarmen,
Freundin.

(c) Annette Gonserowski

9. März 2016

Diese Häuser





Diese Häuser
in Richtung des Tals,

deren Dächer sich an den Hang
schmiegen
und bleiben,

in deren Fenstern
die Sonne sich schminkt,
Strahlen auf ihr Lächeln legt
für einen langen Tag,

die oft im Regen versinken,
im Nebel Ahnung sind,
deren Lampen Lichtpunkte setzen
in der Dunkelheit,
in denen mein Blick versinkt
zu jeder Zeit.

Sie atmen Heimat,
lassen auch mich aufatmen,
und geborgen sein.

(c) Annette Gonserowski

2. März 2016

Schreiben



Schreiben,
das Chaos ordnen,
in meinem Kopf.

Die Gedanken,
die bedrückenden,
die fröhlichen,
die Bilder,
die realen,
die imaginären,
das Bangen,
das Sehnen,
das Heimweh,
das Angekommensein.

Diese Bilder ordnen.
In einem verweilen:
beim Blick auf das Meer
sich in der Weite verlieren,
sich wiederfinden.

(c) Annette Gonserowski

1. März 2016

Auswildern



Auswildern,
mich,
aus der wärmenden Hülle
der Worte,
dem Kokon der Träume,
hinein in das Labyrinth Leben.

Zurücklassen
die bleiernde Wohligkeit,
die fesselnde Behaglichkeit.
Wagen den ersten Schritt
in die kühle Frische,
in das Leben.

(c) Annette Gonserowski