Eigene Lyrik, Fotos und Bilder
Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.
30. November 2007
Worte
la Punta negra in Las Rotas, Denia (c) Annette Gonserowski
Ich sandte
unzählige Worte
in endloser Zeit.
Worte,
wie Treibsand,
die flossen,
umspülten,
haltlos -
blieben,
zurückflossen,
sich in der Seele
verfingen,
Berg wurden.
(c) Annette Gonserowski
28. November 2007
Befund
Spätherbst
Die Nacht
nahm den Bäumen
die Blätter,
hängte Nebel
zwischen die kahlen Zweige,
füllte die verlassenen Nester
mit Wehmut.
Nun muss auch ich
Winterhaut tragen,
die meinen Herzschlag
verbirgt.
Nun suche ich Zuflucht
in dem Geschriebenen,
baue mein Nest
zwischen den Zeilen,
nehme die Wärme
mit unter die Haut.
(c) Annette Gonserowski
nahm den Bäumen
die Blätter,
hängte Nebel
zwischen die kahlen Zweige,
füllte die verlassenen Nester
mit Wehmut.
Nun muss auch ich
Winterhaut tragen,
die meinen Herzschlag
verbirgt.
Nun suche ich Zuflucht
in dem Geschriebenen,
baue mein Nest
zwischen den Zeilen,
nehme die Wärme
mit unter die Haut.
(c) Annette Gonserowski
27. November 2007
Nicht flüchtig
26. November 2007
Freundschaft
25. November 2007
Ankunft
Als ich
Abschied genommen hatte,
die Tränen geweint waren,
die Stille des Herzens
nicht mehr erschreckte,
die Leere vertraut wurde,
die Wärme nicht mehr vermißt,
die Sehnsucht erlosch,
als ich mich auf den Weg machte,
standest Du dort,
erwartetest mich
mit all Deinem Sehnen,
mit all Deiner Freude,
mit geöffneten Armen,
schenktest mir Deine Worte.
(c) Annette Gonserowski
Abschied genommen hatte,
die Tränen geweint waren,
die Stille des Herzens
nicht mehr erschreckte,
die Leere vertraut wurde,
die Wärme nicht mehr vermißt,
die Sehnsucht erlosch,
als ich mich auf den Weg machte,
standest Du dort,
erwartetest mich
mit all Deinem Sehnen,
mit all Deiner Freude,
mit geöffneten Armen,
schenktest mir Deine Worte.
(c) Annette Gonserowski
23. November 2007
Liebe
22. November 2007
Hündchens (Aus-) Plauderei
Frauchen und der weiße Traum
Frauchen hat viele Träume.
Ein Traum davon bin ich und ein anderer hat weiße Federn.
Es sind nicht die Gänse von Rudi, die auf dem Teich leben, der in den Bachauen ist. Zu denen führe ich Frauchen fast täglich. Max und Lilli kommen laut kreischend an den Zaun, der den Teich umgibt. Zischelnd recken sie ihre langen Hälse in meine Richtung, um anschließend zu schreien, dass es mir durch das Mark und Bein geht. Währenddessen zupft Frauchen schon frisches Gras. Das steckt sie durch den Zaun und die Biester kommen friedlich zu ihr, um das Gras aus ihrer Hand zu fressen. Sie machen das vorsichtig, dass ich es kaum glauben kann. Sie gackern dann ganz leise wie Hühner, die zufrieden auf dem Bauernhof herumlaufen. Wenn wir ihnen aber bei einem Spaziergang begegnen, den Rudi mit seinen Gänsen oft in Richtung des Waldes unternimmt, dann kommen sie flügelschlagend auf uns zu, schreiend und wütend. Dann ergreife ich die Flucht. Dass Frauchen dann so ruhig bleibt, ist mir schleierhaft, denn auch sie wird von den Gänsen in die Beine gezwickt. "Aber nicht so schlimm," sagte sie mir, denn dieses Federvieh kennt sie. In diesen Gänseteich darf ich auch im Sommer, denn Rudi hat extra einen Badeinstieg für Hunde gemacht. Dort stehe ich im Sommer gern, schlürfe das frische Wasser, denn der Teich wird vom Bach gespeist, der oberhalb im Wald entspringt und sich bis zum Teich talwärts durch die abschüssigen Wiesen schlängelt. An diesem Bach wachsen im Frühling Sumpfdotterblumen und Holunder spiegelt seine Blütendolden auf seinen Wellen. Dort steht auch der wilde Apfelbaum, den der Vater von Frauchen als junger Mann veredelte und der seitdem Früchte trägt. Von ihnen nimmt Frauchen im jeden Herbst einen, trägt ihn sorgsam heim.
Frauchen hat viele Träume.
Ein Traum davon bin ich und ein anderer hat weiße Federn.
Es sind nicht die Gänse von Rudi, die auf dem Teich leben, der in den Bachauen ist. Zu denen führe ich Frauchen fast täglich. Max und Lilli kommen laut kreischend an den Zaun, der den Teich umgibt. Zischelnd recken sie ihre langen Hälse in meine Richtung, um anschließend zu schreien, dass es mir durch das Mark und Bein geht. Währenddessen zupft Frauchen schon frisches Gras. Das steckt sie durch den Zaun und die Biester kommen friedlich zu ihr, um das Gras aus ihrer Hand zu fressen. Sie machen das vorsichtig, dass ich es kaum glauben kann. Sie gackern dann ganz leise wie Hühner, die zufrieden auf dem Bauernhof herumlaufen. Wenn wir ihnen aber bei einem Spaziergang begegnen, den Rudi mit seinen Gänsen oft in Richtung des Waldes unternimmt, dann kommen sie flügelschlagend auf uns zu, schreiend und wütend. Dann ergreife ich die Flucht. Dass Frauchen dann so ruhig bleibt, ist mir schleierhaft, denn auch sie wird von den Gänsen in die Beine gezwickt. "Aber nicht so schlimm," sagte sie mir, denn dieses Federvieh kennt sie. In diesen Gänseteich darf ich auch im Sommer, denn Rudi hat extra einen Badeinstieg für Hunde gemacht. Dort stehe ich im Sommer gern, schlürfe das frische Wasser, denn der Teich wird vom Bach gespeist, der oberhalb im Wald entspringt und sich bis zum Teich talwärts durch die abschüssigen Wiesen schlängelt. An diesem Bach wachsen im Frühling Sumpfdotterblumen und Holunder spiegelt seine Blütendolden auf seinen Wellen. Dort steht auch der wilde Apfelbaum, den der Vater von Frauchen als junger Mann veredelte und der seitdem Früchte trägt. Von ihnen nimmt Frauchen im jeden Herbst einen, trägt ihn sorgsam heim.
Aber ich schweife ab... das macht mein Alter.... ich werde geschwätzig.
Sind es auch nicht Rudis Gänse, die nächstens durch Frauchens Träume ziehen, so haben sie doch ein klein wenig mit diesem Traum zu tun.
Es ist auch nicht direkt Frauchens Name, der ihren Traum entstehen ließ, auch wenn man das meinen könnte: ihr Name bedeutet... ach, ich sag es mal lieber nicht...
Frauchens Traum hat weiße Federn...
Er war schon einmal Wirklichkeit, der Traum lag jahrelang auf ihrem Bett: ein federleichtes Federbett... und ich mittendrin. Aber nur am Tag und nur auf einer Decke, die darüber lag. Nachts, wenn Menschen unter diesen Traum kriechen, ist das Schlafzimmer für mich tabu. Das akzeptiere ich zähneknirschend - und Frauchen erleichtert es mir mit einem Leckerchen, das ich bekomme, wenn ich den Traum verlasse.
Der Traum wurd flach und flacher. Er umhüllte Frauchens Träume nicht mehr wärmend.
Frauchen hing an ihrem Traum und umhüllte ihn mit einer warmen Decke. Das war eine gute Lösung - doch damit verflog die Leichtigkeit ihres Traums.
Nun aber war Frauchen zu einer Buchpräsentation in Hagen. Hinterher ging sie noch mit einem Dichterfreund essen. Man sprach über Literatur und Träume genrell, trank und aß dabei, schaute sich in die Augen und auf den Mund, verstand sich und die Worte und war in der Welt der Wörter angekommen, fühlte sich wohl.
Als sie das Restaurant verließen, brach die Kälte der realen Welt über sie herein, die zudem noch den Atem des Winters um ihre Nasen wehen ließ. So ging jeder rasch in Richtung seines Autos, die auf entgegen gesetzten Parkplätzen der Stadt untergebracht waren. Der Dichterfreund schlug seinen Schal fester um den Hals, strebte in Richtung des Parkhauses. Frauchen knöpfte ihren langen Mantel zu, ging in Richtung des Parkplatzes und stockte nach wenigen Schritten: an dem Bettengeschäft links der Straße waren riesige Schilder angebracht: "Rabatte wegen Geschäftsaufgabe". Frauchens Herz schlug schneller. Am Tisch, auf dem große Wohndecken aus flauschiger Baumwolle ausgestellt waren, blieb sie zum ersten Mal länger stehen: eine zart-gelb-beige Decke fand ihr Gefallen. Sie war genau das Richtige für mich, denn dass ich es nicht nur wohlig haben, sondern sich die Decke auch noch harmonisch der Wohnung anpassen sollte, das war Frauchens Anspruch.
Als sie zum Bezahlen das Geschäft betrat, war sie umringt von ihren Träumen: dicke, weiche, federleichte Daunendecken lagen aufgestapelt in den Regalen! In jeder gewünschten Ausführung: 100 % Wildgänsedaunen, 80 % Dauen und 20 % Federn, aus dem Norden, aus Europa, aus Deutschland. Alle mit einem Gütesiegel versehen, das den Traum zum Traum werden ließ.
Frauchens Herz, das alles Weiße, alles Flauschige, alles Wärmende und alles Leichte liebt, holperte vor Freude. Sie warf meine Decke über die Schulter, damit sie beide Hände frei hatte. Und schon fühlte sie prüfend die gesteppten Decken an! Die waren ein Traum: so dick, so daunenleicht... so wunderbar herrlich leicht! Einfach ein Wirklichkeit gewordener Traum zum Anfassen.
Als Frauchens Blick auf die reduzierten Preise fiel, überschlug sich ihr Herz fast und sie im Kopf die Zahlen ihres Kontostandes. Da war kein langes Überlegen mehr nötig: der leichte, flauschige Traum wurde leicht auf ihren Händen zur Kasse getragen, von dort zum Auto, er fuhr mit in unser Haus.
Dort umhüllte Frauchen ihn mit einer schmeichelnden Hülle. Darauf legte sie meine neue Decke, denn ihr war klar, dass natürlich ich zuerst diesen Traum und auf ihm träumen durfte, auch wenn sie innerlich gar nicht damit einverstanden war. Aber so ist es: der größte Traum - nämlich ich - hat oberste Priorität vor nachrangigen Träumen.
Als es dunkel wurde, da wurde Frauchens Traum konkret: sie schlüpfte unter die 100 % nordischen Dauen und versank darunter. So leicht war der Traum, so warm, dass die Körnerkissen nach wenigen Minuten aus dem Bett auf den Bettvorleger flogen. Frauchen lag selig lächelnd mit dem Buch vor der Nase unter ihrem Traum. Kaum war ihre Nasenspitze zu sehen. Nur die Füße, die sie immer unter der Bettdecke hervorstreckt, schauten auch diesmal entspannt unter ihr hervor.
Frauchen lächelte selig träumend: ich weiß ja nicht, vielleicht trugen die Daunen noch eine geheime Botschaft ihres nordischen Dichterfreundes, mit dem sie Gedichte tauscht.
Später, als das Licht gelöscht wurde, da lag Frauchen umhüllt von ihrem Traum in tiefen Träumen und träumte neue Träume. Sicher zog ich mit meiner Rute wedelnd durch diesen Traum.
(c) Annette Gonserowski
21. November 2007
Hündchens (Aus-) Plauderei
Tarnfarbe...
Frauchen und ihr Küchenmesser
Frauchen liebt mich - und Frauchen liebt ihr Küchenmesser.
So ein kleines, ganz normales Küchenmesser, mit dem man Kartoffeln schälen kann.
Das sage ich. Aber da müsst Ihr mal Frauchen hören. Für die ist das etwas ganz Besonderes.
Sie hatte eins, das hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Es hatte einen hölzernen Griff und eine kurze Klinge, die immer rasiermesserscharf geschliffen war. Das Messer hütete sie wie einen Augapfel. Der Griff war schon sehr dunkel geworden, vom vielen Anfassen und Spülen. Die Klinge war schon sehr dünn vom vielen Wetzen mit dem Wetzstab.
Irgendwann hat dieses Messer der Gang aller Dinge ereilt: es fiel einfach auseinander. Frauchen hat sich das Malheur von allen Seiten betrachtet, es schweren Herzens in den Müll geworfen und war traurig.
Man schenkte ihr ein neues Messer. So ein Küchenmesser, wie man es in jedem Supermarkt kaufen kann. Das war natürlich kein Vergleich und so stand Frauchen missmutig in der Küche und schälte die Kartoffeln und Äpfel so dick wie des Messers Schneide - die war sehr dick.
"Meine Großmutter schälte die Äpfel so hauchdünn, dass man durch die Schale schauen konnte", erzählte sie mir, "und sie war an einem Stück."
Ich wunderte mich: war es wichtig, die Äpfel und Kartoffeln so dünn zu schälen? Mir war es egal, denn weder Kartoffeln noch Äpfel gehören zu meiner Lieblingsspeise.
"Ja", erklärte mir Frauchen, "unter der Schale sind die meisten Vitamine."
Wenn sie es glaubt, glaube ich es ihr gern.
Frauchen fuhr mit ihrer Cousine nach Hagen in die Großstadt.
Zielsicher ging sie in den Tchiboladen, wo es verführerisch nach frisch geröstetem Kaffee roch. Aber weit gefehlt: Kaffee war nicht ihr Begehren, sondern die Sonderangebote, die an den Wänden des Ladens ausgestellt waren. Mit leuchtenden Augen nahm sie eine Packung von dem Verkausständer. Durch die Folie konnte man es sehen: ein Küchenmesser aus Edelstahl mit gebogener Klinge war darin. Eine gebogene Klinge, das war neu. Aber Frauchen, mutig für Neues, wollte das Wagnis eingehen. Der stolze Preis ließ Frauchen einmal schlucken, doch der Gedanke an hauchdünne Kartoffelschalen ließ sie nicht zögern.
"Immerhin ist es ein Kauf für's Leben", sagte sie sich und fuhr fröhlich mit diesem Prachtstück von Messer nach Hause.
Die Enttäuschung folgte auf dem Fuß. Das Messer erwies sich als zu unhandlich und klobig und ebenso sahen die Schalen aus.
Frauchens Frust blieb natürlich nicht verborgen. Man schenkte ihr ein neues Messer, das zwar nicht dem Vergleich mit dem alten Messer standhielt, aber immerhin gut zu handhaben war.
Als Frauchen in der Papiermülltonne zerschnittene Kartons liegen sah, ahnte sie Böses, und richtig: man hatte ihr Küchenmesser benutzt, die dicken Pappen der Kartons durchzuschneiden.
Mit klopfendem Herzen zog sie die Küchenschublade auf: da lag ihr Messer in dem Messerfach, unscharf, mit an der Klinge ausgebrochenen Ecken . Frauchen war sauer! Ihr Messer war ruiniert.
Einige Zeit später besuchte Frauchen das Haushaltswarengeschäft im Nachbarort. Sie wollte schon wieder das Geschäft verlassen, als ihr Blick auf ein Schild in der Nähe der Kasse fiel: "Wir nehmen ihr altes Küchenmesser in Zahlung und rechnen 5 Euro auf ein neues an."
Frauchen stutzte, war wie elektrisiert und schaute begierlich in Richtung der ausgestellten Küchenmesser. Sie hingen in allen Größen und Formen an einer Schauwand. Der Haushaltswarenhändler hatte ihren Blick bemerkt und reagierte rasch: "Ja, das sind tolle Messer" sagte er beflissen und legte Frauchen eins in die Hand.
Das war ei n Messer! Genau das, was Frauchen sich immer vorgestellt hatte: Ein Messer aus Edelstahl der Nobelmarke WMF aus dem schwäbischen Ländle! Schwaben sagt man Sparsamkeit nach, sie sagen, dass sie nicht reich genug sind, um sich billge Produkte zu kaufen. Ein dort hergestelltes Messer ist eine Investition für ein ganzes Leben.
Frauchens Augen glänzten: "Ja, so ein schönes Küchenmesser, das ist mein Traum."
"Dann kaufen Sie es sich doch" bestätigte der Händler Frauchens Verlangen.
"Ja, aber.... es ist sicher sehr teuer."
"Dafür hält es aber auch ewig. Und wir schleifen es Ihnen hier scharf, wenn es einmal stumpf werden sollte."
Das war ein Argument. Frauchen hielt das Messer abwägend in der Hand. In den Griff, der von der Klinge in einem Stück überging, waren Seiten aus hochwertigem, schwarzen Kunststoff eingelassen. die sich der Handfläche anpassten. Einige, durchtriebene, zweckvolle Edelstahlnieten ließen es edel erscheinen.
"Ich lasse Ihnen die 5 Euro nach. Das alte Messer können Sie mir irgendwann einmal bringen." Der Einzelhändler schaute Frauchen beflissen an.
Frauchen seufzte noch einmal, zückte ihre Geldbörse, der Geldschein und das Messer wechselten die Besitzer.
Frauchens Zwilling war zu Besuch, als sie das Messer auspackte. Er, der ein begnadeter Koch ist, sah sofort, was für einen Schatz Frauchen da heimgebracht hatte.
"Darf ich es mal sehen", fragte er und gerne überließ Frauchen das Messer seinem Kennerblick.
Das war ein Messer!!! Ja, wirklich. Der Zwilling betrachtete es voller Bewunderung.
"Schau, " sagte er: "Es ist aus Edelstahl. Hier auf der Klinge steht die Legierung."
Und schon las er die Zusammensetzung erklärend vor.
Das Messer ist wirklich ein Traum.
Seit diesem Tag versteckt Frauchen das Messer in einer hinteren Ecke einer Schublade, unter den Schneidebrettchen und einem gestrickten Eierwärmer, den die Schwägerin ihr vor vielen Jahren einmal von Wyck auf Föhr mitbrachte.
Wenn Frauchen auch gern Vieles teilt, sogar manchmal mich: dieses Messer ist ihres. Ganz allein ihres.
Ich war schon ein wenig eifersüchtig auf das Messer, bis dass mir klar wurde, dass ich niemals in einer Schublade versteckt werden möchte.
Frauchen erteilte absolutes Benutzungsverbot an alle Familienmitglieder. Sie halten sich daran und schauen ein wenig neidisch auf dieses Messer. Ich aber sehe abends Frauchens glückliches Lächeln, wenn sie einen Apfel aus der Obstschale nimmt und ihn schält. Hauchdünne, aneinanderhängende Schalen, durch die man das Licht schimmern sieht.
(c) Annette Gonserowski
20. November 2007
Hündchens (Aus-) Plauderei
Der Besuch der Freundin
Ich merke es sofort:Frauchens Freundin ist am Telefon. Schon bevor sie den Hörer aus der Ladestation nimmt, sieht sie es auf dem Display. Ihre Augen strahlen dann und schnell nimmt sie den Hörer in die Hand, damit das Gespräch nicht auf den Anrufbeantworter umgeleitet wird. Ihre Stimme bekommt dann ein leichtes Zwitschern, fast so wie das der Amsel, die morgens vor meinem Fenster singt.Wenn es möglich ist, setzt sie sich dann in den Lesesessel, legt entspannt die Füße auf den Tisch. Das sollte ich mal machen!!! Manchmal angelt sie nach einer Süßigkeit, um sie genüsslich anzuknabbern. Dann ist Wohlbehagen pur angesagt. Dann kann das Gespräch schon mal etwas länger dauern, so dass ich mich entspannt vor ihre Füße lege, manchmal mit geschlossenen Augen zuhöre, ihr hin und wieder zublinzle, je nachdem, was sie der Freundin erzählt. Oft schlafe ich dann ein, ganz friedlich. Mir kann nichts passieren: Frauchen ist da.
Nach so einem Telefongespräch geschieht es, dass wenige Tage danach ein ungemütliches Treiben beginnt. Frauchen beginnt aufzuräumen. Auf dem Wohnzimmertisch, genau vor Frauchens Lesesessel, liegt meist ein Stapel aus Büchern, dem neusten Fokus, der Brigitte Women, Briefen, Einladungen zu Vernissagen und sogar ein Ausdruck der Sonntagspredigt aus der Margaretenkirche, die ihr der Pfarrer regelmäßig mailt. Das sortiert sie: Bücher wandern in das Regal oder werden auf den Bücherstapel auf dem Schrank gelegt. Prospekte landen im Papiermüll, Zeitschriften werden zum Zwillingsbruder gebracht, damit er sie noch lesen kann. Einige Dinge legt sie auf die Ablage unterhalb der Tischplatte, um sie später noch einmal lesen zu können. Das geschieht vielleicht später irgendwann. Wenn die Ablage zu voll wird, holt Frauchen eine Klappkiste, füllt sie und trägt sie an den Papiercontainer. Das könnte sie doch sofort machen. Ich versteh sie nicht.
Aber nicht genug damit: Frauchen geht in das Gästezimmer, das eigentlich unser Zimmer ist: ihres und meines. Da steht ihr Computer und ich liebe es, wenn Frauchen an dem Computer sitzt und schreibt. Dann ist eine ruhige Atmosphäre, die mich wunderbar in sanfte Träume trägt. Auf dem Gästebett stapeln sich auch viele Dinge: Ausdrucke aus dem Internet, seitenweise neue Gedichte, Bücher, Unterlagen vom Autorenkreis. Das sortiert Frauchen und räumt sie fort und das Bett ist frei. Dann denke ich: "Fein, meine Stunde ist gekommen: jetzt kann ich auf das Bett". Aber falsch gedacht. Ich bekomme totales Bettverbot. Das Bettzeug wird aus dem Schrank geholt und aufgeschüttelt. Flauschige Bezüge werden darüber gezogen. Alles wird ordentlich hergerichtet. Wenn Frauchen dann mit dem Putzeimer das Zimmer verlässt, dann würde ich gern in dem Zimmer bleiben und einfach nur genießen. Aber Frauchen schiebt mich sanft aus dem Zimmer, schließt die Tür und damit ist die Herrlichkeit für mich beendet. Dann bleibt die Tür geschlossen und ich hab nicht einmal die Gelegenheit, am Tag, wenn ich allein bin, heimlich in das Zimmer zu gehen und dort zu schlafen. Das mach ich nämlich gern, denn im Zimmer ist immer ein leichter Duft von Frauchen.
Wenige Tage nachdem dies alles gerichtet ist, kommt Frauchen mit Taschen bepackt vom Einkaufen. Ich begrüße sie dann schon an der Tür und schnuppere neugierig an den Taschen. Meist ist in diesen eine Leckerei für mich: köstlicher, getrockneter Pansen oder getrocknete Fleischstreifen, die ich so gerne knabbere. Die gibt Frauchen mit oft, wenn ich allein zu Hause bleiben muss, als Trost sozusagen oder als Belohnung, wenn ich brav war. Aber auch als Betthupferl, wenn ich abends an ihr Bett gehe, um ihr "gute Nacht" zu sagen, oder morgens "guten Morgen." Frauchen weiß schon, was ich mag.
Diese Tüten trägt sie dann in die Küche. Ich gehe hocherhobenen Hauptes hinterher, die Rute freundlich wedelnd hoch über dem Rücken getragen. Frauchen verstaut alles im Kühlschrank und in den Obstschalen. Wenig später kann man die Töpfe und Pfannen klappern hören, die sie auf den Herd stellt. Und dann durchzieht ein Duft von Gebratenem und Gekochtem das Haus, dass ich gar keine Lust mehr habe, die Küche zu verlassen. Ich bin Frauchens Küchenchef und koste das Essen. Sie schaut mir immer aufmerksam ins Gesicht, wenn ich ein Stückchen probiere. Wenn ich es nicht fresse, wird Frauchen sehr nachdenklich, probiert noch einmal die Speise, schwingt den Salzstreuer über die Töpfe, dreht an der Pfeffermühle.
Später stellt die alles in den kühlen Vorratsraum.
Und dann naht der große Tag, der eine schöne Zeit einläutet, in der wir gemeinsam Spaziergänge in die Wälder des Sauerlandes machen und bis in die Nacht hinein plaudern werden. Die Zeichen sind eindeutig: der Esszimmertisch bekommt ein Tischtuch. Nicht "ein" Tischtuch, nein ein ganz bestimmtes: ein beige-braun gemustertes, das über den ausgezogenen Tisch gelegt wird. Das hat die Freundin genäht. Die Platzsets werden darauf drapiert, Geschirr und Besteck und eine Vase mit duftenden Blumen.
Dann weiß ich: nun ist der Tag da!
Frauchen hatte schon ihr Handy ans Ohr genommen und telefoniert. Sie weiß genau, wann was geschieht. Ich aber nicht. Ich muss aufpassen.
Ich lege mich dann erwartungsvoll in mein Körbchen, den Blick aufmerksam zur Tür gerichtet, die Ohren gespitzt: wirklich: irgendwann an diesem Tag passiert es: ein Auto fährt vor. Ich kenne das Geräusch aus tausenden: es ist das Auto der Freundin! Dann läuft Frauchen zur Tür: die Wangen vor Freude gerötet. Sie putzt die Hände noch schnell am Küchentuch ab, wirft das Küchentuch achtlos auf den Stuhl, denn natürlich war sie in der Küche und hat das Essen fertiggemacht.
Die Tür bleibt weit geöffnet, Frauchen läuft die Treppe hinunter, ich hinterher: das Auto steht neben dem Haus, genau vor der Tür des Pferdestalles. Die Autotür ist geöffnet, ein Bein der Freundin ist schon draußen. Der Reisekorb mit Muschi, der Schildkröte steht schon davor. Ich beschnuppere den Korb aufgeregt. Jetzt steigt sie aus. Frauchen läuft auf sie zu. Sie umarmen sich. Doch ich habe es gesehen: eine Hand hat die Freundin ausgestreckt: sie hält etwas in der Hand! Die Hand geht in Richtung meiner neugierig schnuppernden Schnauze: ich nehme das leckere Mitbringsel und freue mich: jetzt ist sie da!!
(c) Annette Gonserowski
Ich merke es sofort:Frauchens Freundin ist am Telefon. Schon bevor sie den Hörer aus der Ladestation nimmt, sieht sie es auf dem Display. Ihre Augen strahlen dann und schnell nimmt sie den Hörer in die Hand, damit das Gespräch nicht auf den Anrufbeantworter umgeleitet wird. Ihre Stimme bekommt dann ein leichtes Zwitschern, fast so wie das der Amsel, die morgens vor meinem Fenster singt.Wenn es möglich ist, setzt sie sich dann in den Lesesessel, legt entspannt die Füße auf den Tisch. Das sollte ich mal machen!!! Manchmal angelt sie nach einer Süßigkeit, um sie genüsslich anzuknabbern. Dann ist Wohlbehagen pur angesagt. Dann kann das Gespräch schon mal etwas länger dauern, so dass ich mich entspannt vor ihre Füße lege, manchmal mit geschlossenen Augen zuhöre, ihr hin und wieder zublinzle, je nachdem, was sie der Freundin erzählt. Oft schlafe ich dann ein, ganz friedlich. Mir kann nichts passieren: Frauchen ist da.
Nach so einem Telefongespräch geschieht es, dass wenige Tage danach ein ungemütliches Treiben beginnt. Frauchen beginnt aufzuräumen. Auf dem Wohnzimmertisch, genau vor Frauchens Lesesessel, liegt meist ein Stapel aus Büchern, dem neusten Fokus, der Brigitte Women, Briefen, Einladungen zu Vernissagen und sogar ein Ausdruck der Sonntagspredigt aus der Margaretenkirche, die ihr der Pfarrer regelmäßig mailt. Das sortiert sie: Bücher wandern in das Regal oder werden auf den Bücherstapel auf dem Schrank gelegt. Prospekte landen im Papiermüll, Zeitschriften werden zum Zwillingsbruder gebracht, damit er sie noch lesen kann. Einige Dinge legt sie auf die Ablage unterhalb der Tischplatte, um sie später noch einmal lesen zu können. Das geschieht vielleicht später irgendwann. Wenn die Ablage zu voll wird, holt Frauchen eine Klappkiste, füllt sie und trägt sie an den Papiercontainer. Das könnte sie doch sofort machen. Ich versteh sie nicht.
Aber nicht genug damit: Frauchen geht in das Gästezimmer, das eigentlich unser Zimmer ist: ihres und meines. Da steht ihr Computer und ich liebe es, wenn Frauchen an dem Computer sitzt und schreibt. Dann ist eine ruhige Atmosphäre, die mich wunderbar in sanfte Träume trägt. Auf dem Gästebett stapeln sich auch viele Dinge: Ausdrucke aus dem Internet, seitenweise neue Gedichte, Bücher, Unterlagen vom Autorenkreis. Das sortiert Frauchen und räumt sie fort und das Bett ist frei. Dann denke ich: "Fein, meine Stunde ist gekommen: jetzt kann ich auf das Bett". Aber falsch gedacht. Ich bekomme totales Bettverbot. Das Bettzeug wird aus dem Schrank geholt und aufgeschüttelt. Flauschige Bezüge werden darüber gezogen. Alles wird ordentlich hergerichtet. Wenn Frauchen dann mit dem Putzeimer das Zimmer verlässt, dann würde ich gern in dem Zimmer bleiben und einfach nur genießen. Aber Frauchen schiebt mich sanft aus dem Zimmer, schließt die Tür und damit ist die Herrlichkeit für mich beendet. Dann bleibt die Tür geschlossen und ich hab nicht einmal die Gelegenheit, am Tag, wenn ich allein bin, heimlich in das Zimmer zu gehen und dort zu schlafen. Das mach ich nämlich gern, denn im Zimmer ist immer ein leichter Duft von Frauchen.
Wenige Tage nachdem dies alles gerichtet ist, kommt Frauchen mit Taschen bepackt vom Einkaufen. Ich begrüße sie dann schon an der Tür und schnuppere neugierig an den Taschen. Meist ist in diesen eine Leckerei für mich: köstlicher, getrockneter Pansen oder getrocknete Fleischstreifen, die ich so gerne knabbere. Die gibt Frauchen mit oft, wenn ich allein zu Hause bleiben muss, als Trost sozusagen oder als Belohnung, wenn ich brav war. Aber auch als Betthupferl, wenn ich abends an ihr Bett gehe, um ihr "gute Nacht" zu sagen, oder morgens "guten Morgen." Frauchen weiß schon, was ich mag.
Diese Tüten trägt sie dann in die Küche. Ich gehe hocherhobenen Hauptes hinterher, die Rute freundlich wedelnd hoch über dem Rücken getragen. Frauchen verstaut alles im Kühlschrank und in den Obstschalen. Wenig später kann man die Töpfe und Pfannen klappern hören, die sie auf den Herd stellt. Und dann durchzieht ein Duft von Gebratenem und Gekochtem das Haus, dass ich gar keine Lust mehr habe, die Küche zu verlassen. Ich bin Frauchens Küchenchef und koste das Essen. Sie schaut mir immer aufmerksam ins Gesicht, wenn ich ein Stückchen probiere. Wenn ich es nicht fresse, wird Frauchen sehr nachdenklich, probiert noch einmal die Speise, schwingt den Salzstreuer über die Töpfe, dreht an der Pfeffermühle.
Später stellt die alles in den kühlen Vorratsraum.
Und dann naht der große Tag, der eine schöne Zeit einläutet, in der wir gemeinsam Spaziergänge in die Wälder des Sauerlandes machen und bis in die Nacht hinein plaudern werden. Die Zeichen sind eindeutig: der Esszimmertisch bekommt ein Tischtuch. Nicht "ein" Tischtuch, nein ein ganz bestimmtes: ein beige-braun gemustertes, das über den ausgezogenen Tisch gelegt wird. Das hat die Freundin genäht. Die Platzsets werden darauf drapiert, Geschirr und Besteck und eine Vase mit duftenden Blumen.
Dann weiß ich: nun ist der Tag da!
Frauchen hatte schon ihr Handy ans Ohr genommen und telefoniert. Sie weiß genau, wann was geschieht. Ich aber nicht. Ich muss aufpassen.
Ich lege mich dann erwartungsvoll in mein Körbchen, den Blick aufmerksam zur Tür gerichtet, die Ohren gespitzt: wirklich: irgendwann an diesem Tag passiert es: ein Auto fährt vor. Ich kenne das Geräusch aus tausenden: es ist das Auto der Freundin! Dann läuft Frauchen zur Tür: die Wangen vor Freude gerötet. Sie putzt die Hände noch schnell am Küchentuch ab, wirft das Küchentuch achtlos auf den Stuhl, denn natürlich war sie in der Küche und hat das Essen fertiggemacht.
Die Tür bleibt weit geöffnet, Frauchen läuft die Treppe hinunter, ich hinterher: das Auto steht neben dem Haus, genau vor der Tür des Pferdestalles. Die Autotür ist geöffnet, ein Bein der Freundin ist schon draußen. Der Reisekorb mit Muschi, der Schildkröte steht schon davor. Ich beschnuppere den Korb aufgeregt. Jetzt steigt sie aus. Frauchen läuft auf sie zu. Sie umarmen sich. Doch ich habe es gesehen: eine Hand hat die Freundin ausgestreckt: sie hält etwas in der Hand! Die Hand geht in Richtung meiner neugierig schnuppernden Schnauze: ich nehme das leckere Mitbringsel und freue mich: jetzt ist sie da!!
(c) Annette Gonserowski
Mauer
Am Haase- Haus in Kierspe
(c) Annette Gonserowski
Die Mauer
zwischen uns,
wiegt schwer
auf den Schultern.
Trage sie fort.
Sieh, die Leere,
dort,
wo die Steine waren:
weiß ist sie
und rein.
Laß uns staunen,
betrachten,
vorsichtig atmen am Rand,
den Zauber nicht stören,
nicht füllen
mit Vergangenem.
(c) Annette Gonserowski
16. November 2007
Cyberlove
Paderborn Am Paderwall
Du bist mir nah,
Du siehst mich nicht,
Du spürst mich nicht,
siehst nicht das Leuchten in den Augen.
Ich kenn Dein Wort,
ich kenn Dich nicht,
weiß nichts von Dir,
weiß nichts von Deinem Leben.
Dein Wort, es schwingt aus Dir,
es schwingt zu mir,
es schwingt zurück zu Dir,
läßt uns mit Silben schweben.
(c) Annette Gonserowski
14. November 2007
Hündchens (Aus-) Plauderei
Erwachen
Ich erwache. Meine langen Beine strecke ich wohlig aus, so lang, dass sie die Wände meines Schaumstoffbettchens berühren, das mein Frauchen in die Nähe der Heizung gestellt hat. In das Körbchen hinein hat sie eine flauschige Decke gelegt, sie über die Ränder geschlagen, damit sie nicht herausrutscht, wenn ich mich, wie jetzt, an die weichen Wände schmiege.
Ich öffne vorsichtig die Augen. Es ist noch dunkel. Durch die Lamellen des Fenstervorhangs fällt nur der Schein der Terrassenlampe, die Frauchen abends einschaltet, damit ihr gedämpftes Licht ins Esszimmer fällt. Dann kann ich mich besser orientieren, wenn ich nachts wach werde.
Ich werde manchmal wach, klettere dann aus dem Körbchen heraus und lege mich an verschiedene Stellen in der Wohnung. Ich lege mich gern an das Fenster im Wohnzimmer, oder vor den Wohnzimmertisch auf den dicken Teppich. Manchmal lege ich mich auch genau hinter Frauchens Lesesessel. Das ist ein gutes Versteck, denn man sieht mich nicht sofort, wenn man das Wohnzimmer betritt.
Vorgestern wollte ich mich gerade vor dem Wohnzimmertisch auf den Teppich legen, als ein verlockender Duft meine Nasenflügel vibrieren ließ. Der Duft von frischem Butterspekulatius. Das ist eine Köstlichkeit, die mich verzückt. Ich hab dann meine Schnauze über den Tisch gehalten und siehe da: es befand sich wirklich noch ein Spekulatius in dem weißen Schälchen, das auf dem Tisch stand. Dieses Schälchen ist aus so hauchdünnem Porzellan, dass man die dahinter stehende Kerze schimmern sieht, wenn man genau schaut. Als ich den Spekulatius vorsichtig daraus nehmen wollte, fiel das Schälchen auf den Teppich. Niemand hatte das gehört, weil der Teppich den Aufprall dämpfte. Zum Glück ist es heile geblieben, denn Frauchen war am nächsten Morgen erschrocken, als sie das Schälchen auf dem Teppich liegen sah. Dieses Schälchen ist ein Erbstück von ihrer Mutter und sie hütet es wie einen Augapfel.
Ich schnuppere mal in Richtung des Wohnzimmers. Heute riecht es neutral: nirgendwo ein Hauch des Duftes von Butterspekulatius.Ich schaue in Richtung der Schlafzimmertür von Frauchens Schlafzimmer. Die ist immer weit geöffnet, damit Frauchen hören kann, wenn ich im Haus herumgehe. Aber auch, damit ich jederzeit zu Frauchen gehen kann.
In der vergangenen Nacht bin ich nur einmal zu Frauchen gegangen. Ich wollte, dass sie mich herauslässt. Ich hab mich im dunklen Zimmer neben Frauchens Bett gestellt und nur gewartet, was passiert. Eigenartigeweise wird Frauchen meist sofort wach, wenn ich da bin. So auch in der vergangenen Nacht. Sie schaute mich an und fragte: "Was möchtest Du denn? Willst Du raus?" Und dann hat sie ihre Bettdecke zurückgeschlagen, die Beine aus dem Bett gestellt und ist aufgestanden. Unter dem Arm hatte sie ihre beiden Körnerkissen. Wir sind dann zusammen in die Küche gegangen. Frauchen hat die Körnerkissen in die Mikrowelle gelegt und die Zeitschaltuhr auf 4 Minuten gestellt. "Aha", hab ich gedacht, "Vier Minuten also. So lange darf ich draußen bleiben." Frauchen hat die Tür zur Terrasse aufgemacht und ich bin hinausgelaufen. Auf der Terrasse war ein Igel, der genüsslich das Vogelfutter schmatzte Ein mittelgroßer Igel, nicht mehr winzig und noch nicht richtig erwachsen. Ich hab ihn erst einmal von der Terrasse gejagt. Das hat Frauchen aber mitbekommen und mich sanft in Richtung der Wiese geschoben. Da war eine Überraschung: Schnee lag auf dem Gras! Weißer, frischer Schnee. Der erste dieses Winters! Ich liebe Schnee. Es ist herrlich im Schnee zu tollen. Es ist spannend, die vielen Spuren zu verfolgen, die kreuz und quer über die Wiese führen: Hasenspuren, Katzenspuren, Abdrücke von kleinen Igelpfoten, die filigranen Gebilde, die die zarten Vogelbeinchen im Schnee hinterlassen. Ich stecke meine dicke Nase in jede einzelne Spur und laufe ein Stück auf ihrem Weg.
Und ich fresse den Schnee so sehr gern! Schnee ist köstlich. Er ist frisch und stillt den Durst. Ich mampfe den Schnee voll Behagen und schmatzte dabei wie ein Igel.
Vier Minuten sind schnell herum und so kam Frauchen viel zu früh aus der Terrassentür, um mich zu holen. Aber nicht mit mir und dem frisch gefallenen Schnee!! Ich habe gesehen, wie sie aus der Tür heraustrat und mein Winterspielchen eingeleitet: ich hüpfte, so schnell es meine alten Beine zuließen, durch den Schnee auf sie zu und um sie herum. Ich habe meine Pfoten hoch in die Luft geworfen, dass die Vorderbeine sich kreuzten. Dann bin ich wie ein Pflitzebogen davon geschnellt und wieder auf Frauchen zu. Und natürlich war es so wie immer: Frauchen lachte vor Freude. Am Tag spielt sie dann mit mir und versucht auch um mich herumzuhüpfen. Aber das gelingt ihr nicht mehr so gut, wie vor einigen Jahren. Doch heute lachte sie nur und rief: "Komm her, Du Schlingel, wir müssen weiterschlafen." Ich hüpfte noch einmal um sie herum. Sprang noch einmal viel höher, wie vorher. Da machte es fast gar nichts, dass ich das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte und unsanft auf meinem Hinterteil landete. Ich hab mich schnell wieder aufgerappelt und bin, so schnell es meine alten Beine erlaubten, an den Rhododendronbusch gelaufen, um mein Beinchen zu heben. Ja, und das war Frauchens Chance. Sie rutschte auf ihren Birkenstocksclogs auf mich zu und packte mich fest, aber nicht unsanft, am Nackenfell. Ich nahm noch eine Schnauze voll Schnee und ging dann mit ihr ins Haus. Frauchen trottete mit ihren Körnerkissen in Richtung des Schlafzimmers, löschte das Licht und war kurze Zeit später wieder eingeschlafen. Es dauerte nicht lange und ich schlief auch wieder tief und fest.
Als ich das zweite Mal wach wurde, bin ich nicht zu Frauchen gegangen, sondern in die Küche. Ich hatte Hunger. Kein Spekulatiusduft weit und breit. Was blieb mir da anders übrig, als im Fressnapf nachzuschauen, ob ich vielleicht doch noch einen kleinen Rest vom Abendessen übrig gelassen hatte. Frauchen hatte mir nämlich Bulgur gekocht, das sie vorher in Olivenöl angeröstet hatte. Darin etwas Lauch, ein wenig vom gegrillten Hähnchenfleisch und eine Portion meines Dosenfutters - das esse ich sehr gern. Ich hatte aber am Abend alles aufgegessen, so dass ich nur die Napfwände noch einmal auslecken konnte. Und das hab ich auch gemacht! So sorgsam, dass der Napf in seinem Gestell laut rappelte. Das wiederum hat Frauchen geweckt, denn plötzlich hat sie im Türrahmen gestanden, ganz verschlafen, die Haare wirr um den Kopf herum. Sie ist dann zu meiner Vorratstonne gegangen und hat etwas Trockenfutter in meinen Napf geschüttet. Danach hat sie sich wieder ins Bett gelegt und wenige Minuten später war sie schon wieder eingeschlafen.
Apropos schlafen: seitdem ich ein älterer Hundeherr bin, schlafe ich sehr gern und ausgiebig am Tag. Wenn Frauchen zu Hause ist, schaue ich, wo sie ist, lege mich in ihre Nähe und schlafe zufrieden ein. Frauchen sagt, ich schnarche, wie ein Bär. Ich will ja nichts sagen, aber es passiert Frauchen auch, dass sie beim Lesen einschläft und das Buch aus ihrer Hand fällt. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass auch sie laut atmet, wie sie es nennt - und das ist kein Märchen, das Herrchen erzählt. Wenn sie dann wach wird, reibt sie manchmal ihren Nacken, der von dieser unbequemen Schlafhaltung steif geworden ist. Dann muss ich lächeln, denn auch meine Knochen muss ich stets erst einmal recken und strecken, wenn ich geschlafen hab. Sie sind dann steif und ich gehe die ersten Schritte holprig und staksig. Frauchen fährt einmal in der Woche mit mir zur Physiotherapie. Und das tut mir und ihr gut. Sie sitzt immer ganz verzückt dabei und freut sich, wenn ich durchgeknetet und gedehnt werde. Sie jauchzt und lacht und ich habe oft den Eindruck, als ob sie sich am liebsten mit auf die Matte legen würde. Wenn sie aber selbst zur Massage geht, dann muss ich zu Hause bleiben. Das finde ich echt ungerecht.
Nun muss ich aber doch mal schauen, ob Frauchen wach ist. Es ist doch schon 5 Uhr. Wäre es Sommerzeit, wäre es schon 6 Uhr und Zeit, dass Frauchen aufsteht. Es ist noch dunkel im Schlafzimmer. Kein Lichtschein fällt durch die geöffnete Tür, der mir zeigen würde, das Frauchen schon wach ist und lesend im Bett liegt.
Ich stakse aus dem Bett heraus. Der Schein der Terrassenlampe erleuchtet spärlich den Weg in Frauchens Schlafzimmer. Ich gehe durch den kleinen Vorflur, von dem auch eine Tür ins Badezimmer führt. Auch diese Tür ist geöffnet. Frauchen mag keine geschlossenen Türen in der Nacht. Nur die Haustür ist verschlossen. Das prüft sie abends immer noch einmal nach, bevor sie endgültig zu Bett geht. Ich kenne den Weg zu Frauchens Bett im Schlaf. Ich gehe rechts am Bett vorbei, um das Bett herum. Im Sommer fällt schon früh das Licht der aufgehenden Sonne durch die Lamellen der Rolläden. Doch heute ist es dunkel. Wie ein dunkler Schemen stelle ich mich neben Frauchens Kopfkissen. Ich schaue auf sie herunter: dort wo sich einst ein dunkler Haarschopf auf dem Kissen ausbreitete, liegen nun Frauchens Haare grau mit schwarzen Strähnen. Kommt es mir nur so vor? Ich meine, ihr Kopf sei kleiner geworden. Heute liegt er blass auf dem harten Nackenkissen. Sie sieht entspannt aus. Manchmal jedoch sieht sie müde und abgespannt aus. Dann mache ich mir Sorgen, passe auf sie auf. Jetzt atmet sie still. Eine Hand hat sie unter den Kopf gelegt. Wie lieb ich mein Frauchen habe. Genauso lieb, wie sie mich hat, sagt sie immer. Wir streiten uns dann und ich sage immer: "Ich hab dich ganz, ganz lieb und noch viel lieber," und wedle ganz heftig mit meiner Rute. Wenn ich ihr dann auch noch als Beweis ein nasses Küsschen mitten auf die Nase geben will, lacht sie und zieht den Kopf fort.
Ich zögere. Soll ich sie heute mit solch einem Küsschen wecken? Das mache ich oft.
Ich nähere mich erst einmal vorsichtig ihrem Gesicht. Spüre ihren Atem. Sie schläft noch immer. Jetzt bewegt sie sich. Ich bleibe still stehen, schaue sie nur an. Sie schlägt die Augen auf: "Mein Junge..."
"Mein Junge", das sagt sie oft zu mir, auch jetzt noch, wo ich wahrlich schon sehr alt bin. Oft sagt sie sogar: "Mein kleiner Junge". Dabei bin ich ein richtig großer Airedale- Rüde. Ich wundere mich immer: Wenn ich an ihrem Bett stehe, schlägt sie meist kurz danach die Augen auf und ist hellwach. So von jetzt auf gleich. Kein Recken und Strecken, wenn sie merkt, dass ich raus will. Sie mault noch nicht einmal, wie ich es gern mache, wenn sie mich wach macht, um mit mir spazieren zu gehen. Aber wenn ich ehrlich bin, hat sie sich auch da ein wenig gebessert: sie macht mich meist ganz sanft wach, indem sie zärtlich über meinen Rücken streichelt. Dann lässt sie mich erst einmal wach werden, bevor sie mir den Hundemantel anzieht. Über den lachen manche Menschen, wenn sie mich sehen. Sollen sie doch. Pferde lässt man auch nicht ungeschützt durch den Regen gehen. Auch sie tragen Decken. Und die Menschen erst! Was tragen sie nicht alles, wenn es regnet! Vor Allem diese Regenschirme. Habt Ihr schon mal einen Hund mit Regenschirm gesehen? Dann doch lieber mein regendichter Hundemantel. Ich hab es gern, wenn es regnet und ich darin wassergeschützt meines Weges gehe.
Ja, richtig, meines Weges. Frauchen geht immer die Wege, die ich gehen möchte. Wenn sie mal etwas anderes wagt, dann bleibe ich stehen, halte meinen Kopf starr nach unten, ramme meine Beine in den Boden, so dass sie vergeblich an der Leine zerren würde. Das tut sie ohnehin nicht, sondern trottet mit mir auf meinem Weg. Ja, wir sind langsamer geworden, genießen die Landschaft noch gemächlicher. Ich schnuppere mal hier und mal dort. Sie schaut mal hier und mal dort nach singenden Vögeln und aufspringenden Knospen und nun nach Grashalmen, die aus dem Schnee ragen. Früher bin ich mit ihr durch die Wiesen getollt und von links nach rechts und von rechts nach links über den Bach gesprungen. Frauchen hat gejauchzt vor Freude und ich bin regelrecht ausgeflippt. Nun gehen wir auch noch zum Bach, ich manchmal hinein, um zu trinken. Frauchen steht dann am Ufer und schaut mir und den Wellen zu. Frauchen erzählt mir immer etwas, wenn wir unterwegs sind. Auch Geheimnisse - aber die verrate ich niemanden. Darauf meine Pfote, nicht einmal Emma, meiner liebsten Hundefreundin.
Nun schlägt Frauchen die Bettdecke zurück. Langsam setzt sie ihre Beine aus dem Bett, angelt nach ihren Birkenstocks. Sie greift einmal in ihren Rücken, reckt sich und steht auf. Ich trotte vor ihr her, sie trottet hinterher in Richtung der Küchenterrassentür. Ich spüre, wie nah sie mir ist. Ihre Nähe umhüllt mich. Sie atmet meine Nähe. Wir sind glücklich.
(c) Annette Gonserowski
Ich erwache. Meine langen Beine strecke ich wohlig aus, so lang, dass sie die Wände meines Schaumstoffbettchens berühren, das mein Frauchen in die Nähe der Heizung gestellt hat. In das Körbchen hinein hat sie eine flauschige Decke gelegt, sie über die Ränder geschlagen, damit sie nicht herausrutscht, wenn ich mich, wie jetzt, an die weichen Wände schmiege.
Ich öffne vorsichtig die Augen. Es ist noch dunkel. Durch die Lamellen des Fenstervorhangs fällt nur der Schein der Terrassenlampe, die Frauchen abends einschaltet, damit ihr gedämpftes Licht ins Esszimmer fällt. Dann kann ich mich besser orientieren, wenn ich nachts wach werde.
Ich werde manchmal wach, klettere dann aus dem Körbchen heraus und lege mich an verschiedene Stellen in der Wohnung. Ich lege mich gern an das Fenster im Wohnzimmer, oder vor den Wohnzimmertisch auf den dicken Teppich. Manchmal lege ich mich auch genau hinter Frauchens Lesesessel. Das ist ein gutes Versteck, denn man sieht mich nicht sofort, wenn man das Wohnzimmer betritt.
Vorgestern wollte ich mich gerade vor dem Wohnzimmertisch auf den Teppich legen, als ein verlockender Duft meine Nasenflügel vibrieren ließ. Der Duft von frischem Butterspekulatius. Das ist eine Köstlichkeit, die mich verzückt. Ich hab dann meine Schnauze über den Tisch gehalten und siehe da: es befand sich wirklich noch ein Spekulatius in dem weißen Schälchen, das auf dem Tisch stand. Dieses Schälchen ist aus so hauchdünnem Porzellan, dass man die dahinter stehende Kerze schimmern sieht, wenn man genau schaut. Als ich den Spekulatius vorsichtig daraus nehmen wollte, fiel das Schälchen auf den Teppich. Niemand hatte das gehört, weil der Teppich den Aufprall dämpfte. Zum Glück ist es heile geblieben, denn Frauchen war am nächsten Morgen erschrocken, als sie das Schälchen auf dem Teppich liegen sah. Dieses Schälchen ist ein Erbstück von ihrer Mutter und sie hütet es wie einen Augapfel.
Ich schnuppere mal in Richtung des Wohnzimmers. Heute riecht es neutral: nirgendwo ein Hauch des Duftes von Butterspekulatius.Ich schaue in Richtung der Schlafzimmertür von Frauchens Schlafzimmer. Die ist immer weit geöffnet, damit Frauchen hören kann, wenn ich im Haus herumgehe. Aber auch, damit ich jederzeit zu Frauchen gehen kann.
In der vergangenen Nacht bin ich nur einmal zu Frauchen gegangen. Ich wollte, dass sie mich herauslässt. Ich hab mich im dunklen Zimmer neben Frauchens Bett gestellt und nur gewartet, was passiert. Eigenartigeweise wird Frauchen meist sofort wach, wenn ich da bin. So auch in der vergangenen Nacht. Sie schaute mich an und fragte: "Was möchtest Du denn? Willst Du raus?" Und dann hat sie ihre Bettdecke zurückgeschlagen, die Beine aus dem Bett gestellt und ist aufgestanden. Unter dem Arm hatte sie ihre beiden Körnerkissen. Wir sind dann zusammen in die Küche gegangen. Frauchen hat die Körnerkissen in die Mikrowelle gelegt und die Zeitschaltuhr auf 4 Minuten gestellt. "Aha", hab ich gedacht, "Vier Minuten also. So lange darf ich draußen bleiben." Frauchen hat die Tür zur Terrasse aufgemacht und ich bin hinausgelaufen. Auf der Terrasse war ein Igel, der genüsslich das Vogelfutter schmatzte Ein mittelgroßer Igel, nicht mehr winzig und noch nicht richtig erwachsen. Ich hab ihn erst einmal von der Terrasse gejagt. Das hat Frauchen aber mitbekommen und mich sanft in Richtung der Wiese geschoben. Da war eine Überraschung: Schnee lag auf dem Gras! Weißer, frischer Schnee. Der erste dieses Winters! Ich liebe Schnee. Es ist herrlich im Schnee zu tollen. Es ist spannend, die vielen Spuren zu verfolgen, die kreuz und quer über die Wiese führen: Hasenspuren, Katzenspuren, Abdrücke von kleinen Igelpfoten, die filigranen Gebilde, die die zarten Vogelbeinchen im Schnee hinterlassen. Ich stecke meine dicke Nase in jede einzelne Spur und laufe ein Stück auf ihrem Weg.
Und ich fresse den Schnee so sehr gern! Schnee ist köstlich. Er ist frisch und stillt den Durst. Ich mampfe den Schnee voll Behagen und schmatzte dabei wie ein Igel.
Vier Minuten sind schnell herum und so kam Frauchen viel zu früh aus der Terrassentür, um mich zu holen. Aber nicht mit mir und dem frisch gefallenen Schnee!! Ich habe gesehen, wie sie aus der Tür heraustrat und mein Winterspielchen eingeleitet: ich hüpfte, so schnell es meine alten Beine zuließen, durch den Schnee auf sie zu und um sie herum. Ich habe meine Pfoten hoch in die Luft geworfen, dass die Vorderbeine sich kreuzten. Dann bin ich wie ein Pflitzebogen davon geschnellt und wieder auf Frauchen zu. Und natürlich war es so wie immer: Frauchen lachte vor Freude. Am Tag spielt sie dann mit mir und versucht auch um mich herumzuhüpfen. Aber das gelingt ihr nicht mehr so gut, wie vor einigen Jahren. Doch heute lachte sie nur und rief: "Komm her, Du Schlingel, wir müssen weiterschlafen." Ich hüpfte noch einmal um sie herum. Sprang noch einmal viel höher, wie vorher. Da machte es fast gar nichts, dass ich das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte und unsanft auf meinem Hinterteil landete. Ich hab mich schnell wieder aufgerappelt und bin, so schnell es meine alten Beine erlaubten, an den Rhododendronbusch gelaufen, um mein Beinchen zu heben. Ja, und das war Frauchens Chance. Sie rutschte auf ihren Birkenstocksclogs auf mich zu und packte mich fest, aber nicht unsanft, am Nackenfell. Ich nahm noch eine Schnauze voll Schnee und ging dann mit ihr ins Haus. Frauchen trottete mit ihren Körnerkissen in Richtung des Schlafzimmers, löschte das Licht und war kurze Zeit später wieder eingeschlafen. Es dauerte nicht lange und ich schlief auch wieder tief und fest.
Als ich das zweite Mal wach wurde, bin ich nicht zu Frauchen gegangen, sondern in die Küche. Ich hatte Hunger. Kein Spekulatiusduft weit und breit. Was blieb mir da anders übrig, als im Fressnapf nachzuschauen, ob ich vielleicht doch noch einen kleinen Rest vom Abendessen übrig gelassen hatte. Frauchen hatte mir nämlich Bulgur gekocht, das sie vorher in Olivenöl angeröstet hatte. Darin etwas Lauch, ein wenig vom gegrillten Hähnchenfleisch und eine Portion meines Dosenfutters - das esse ich sehr gern. Ich hatte aber am Abend alles aufgegessen, so dass ich nur die Napfwände noch einmal auslecken konnte. Und das hab ich auch gemacht! So sorgsam, dass der Napf in seinem Gestell laut rappelte. Das wiederum hat Frauchen geweckt, denn plötzlich hat sie im Türrahmen gestanden, ganz verschlafen, die Haare wirr um den Kopf herum. Sie ist dann zu meiner Vorratstonne gegangen und hat etwas Trockenfutter in meinen Napf geschüttet. Danach hat sie sich wieder ins Bett gelegt und wenige Minuten später war sie schon wieder eingeschlafen.
Apropos schlafen: seitdem ich ein älterer Hundeherr bin, schlafe ich sehr gern und ausgiebig am Tag. Wenn Frauchen zu Hause ist, schaue ich, wo sie ist, lege mich in ihre Nähe und schlafe zufrieden ein. Frauchen sagt, ich schnarche, wie ein Bär. Ich will ja nichts sagen, aber es passiert Frauchen auch, dass sie beim Lesen einschläft und das Buch aus ihrer Hand fällt. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass auch sie laut atmet, wie sie es nennt - und das ist kein Märchen, das Herrchen erzählt. Wenn sie dann wach wird, reibt sie manchmal ihren Nacken, der von dieser unbequemen Schlafhaltung steif geworden ist. Dann muss ich lächeln, denn auch meine Knochen muss ich stets erst einmal recken und strecken, wenn ich geschlafen hab. Sie sind dann steif und ich gehe die ersten Schritte holprig und staksig. Frauchen fährt einmal in der Woche mit mir zur Physiotherapie. Und das tut mir und ihr gut. Sie sitzt immer ganz verzückt dabei und freut sich, wenn ich durchgeknetet und gedehnt werde. Sie jauchzt und lacht und ich habe oft den Eindruck, als ob sie sich am liebsten mit auf die Matte legen würde. Wenn sie aber selbst zur Massage geht, dann muss ich zu Hause bleiben. Das finde ich echt ungerecht.
Nun muss ich aber doch mal schauen, ob Frauchen wach ist. Es ist doch schon 5 Uhr. Wäre es Sommerzeit, wäre es schon 6 Uhr und Zeit, dass Frauchen aufsteht. Es ist noch dunkel im Schlafzimmer. Kein Lichtschein fällt durch die geöffnete Tür, der mir zeigen würde, das Frauchen schon wach ist und lesend im Bett liegt.
Ich stakse aus dem Bett heraus. Der Schein der Terrassenlampe erleuchtet spärlich den Weg in Frauchens Schlafzimmer. Ich gehe durch den kleinen Vorflur, von dem auch eine Tür ins Badezimmer führt. Auch diese Tür ist geöffnet. Frauchen mag keine geschlossenen Türen in der Nacht. Nur die Haustür ist verschlossen. Das prüft sie abends immer noch einmal nach, bevor sie endgültig zu Bett geht. Ich kenne den Weg zu Frauchens Bett im Schlaf. Ich gehe rechts am Bett vorbei, um das Bett herum. Im Sommer fällt schon früh das Licht der aufgehenden Sonne durch die Lamellen der Rolläden. Doch heute ist es dunkel. Wie ein dunkler Schemen stelle ich mich neben Frauchens Kopfkissen. Ich schaue auf sie herunter: dort wo sich einst ein dunkler Haarschopf auf dem Kissen ausbreitete, liegen nun Frauchens Haare grau mit schwarzen Strähnen. Kommt es mir nur so vor? Ich meine, ihr Kopf sei kleiner geworden. Heute liegt er blass auf dem harten Nackenkissen. Sie sieht entspannt aus. Manchmal jedoch sieht sie müde und abgespannt aus. Dann mache ich mir Sorgen, passe auf sie auf. Jetzt atmet sie still. Eine Hand hat sie unter den Kopf gelegt. Wie lieb ich mein Frauchen habe. Genauso lieb, wie sie mich hat, sagt sie immer. Wir streiten uns dann und ich sage immer: "Ich hab dich ganz, ganz lieb und noch viel lieber," und wedle ganz heftig mit meiner Rute. Wenn ich ihr dann auch noch als Beweis ein nasses Küsschen mitten auf die Nase geben will, lacht sie und zieht den Kopf fort.
Ich zögere. Soll ich sie heute mit solch einem Küsschen wecken? Das mache ich oft.
Ich nähere mich erst einmal vorsichtig ihrem Gesicht. Spüre ihren Atem. Sie schläft noch immer. Jetzt bewegt sie sich. Ich bleibe still stehen, schaue sie nur an. Sie schlägt die Augen auf: "Mein Junge..."
"Mein Junge", das sagt sie oft zu mir, auch jetzt noch, wo ich wahrlich schon sehr alt bin. Oft sagt sie sogar: "Mein kleiner Junge". Dabei bin ich ein richtig großer Airedale- Rüde. Ich wundere mich immer: Wenn ich an ihrem Bett stehe, schlägt sie meist kurz danach die Augen auf und ist hellwach. So von jetzt auf gleich. Kein Recken und Strecken, wenn sie merkt, dass ich raus will. Sie mault noch nicht einmal, wie ich es gern mache, wenn sie mich wach macht, um mit mir spazieren zu gehen. Aber wenn ich ehrlich bin, hat sie sich auch da ein wenig gebessert: sie macht mich meist ganz sanft wach, indem sie zärtlich über meinen Rücken streichelt. Dann lässt sie mich erst einmal wach werden, bevor sie mir den Hundemantel anzieht. Über den lachen manche Menschen, wenn sie mich sehen. Sollen sie doch. Pferde lässt man auch nicht ungeschützt durch den Regen gehen. Auch sie tragen Decken. Und die Menschen erst! Was tragen sie nicht alles, wenn es regnet! Vor Allem diese Regenschirme. Habt Ihr schon mal einen Hund mit Regenschirm gesehen? Dann doch lieber mein regendichter Hundemantel. Ich hab es gern, wenn es regnet und ich darin wassergeschützt meines Weges gehe.
Ja, richtig, meines Weges. Frauchen geht immer die Wege, die ich gehen möchte. Wenn sie mal etwas anderes wagt, dann bleibe ich stehen, halte meinen Kopf starr nach unten, ramme meine Beine in den Boden, so dass sie vergeblich an der Leine zerren würde. Das tut sie ohnehin nicht, sondern trottet mit mir auf meinem Weg. Ja, wir sind langsamer geworden, genießen die Landschaft noch gemächlicher. Ich schnuppere mal hier und mal dort. Sie schaut mal hier und mal dort nach singenden Vögeln und aufspringenden Knospen und nun nach Grashalmen, die aus dem Schnee ragen. Früher bin ich mit ihr durch die Wiesen getollt und von links nach rechts und von rechts nach links über den Bach gesprungen. Frauchen hat gejauchzt vor Freude und ich bin regelrecht ausgeflippt. Nun gehen wir auch noch zum Bach, ich manchmal hinein, um zu trinken. Frauchen steht dann am Ufer und schaut mir und den Wellen zu. Frauchen erzählt mir immer etwas, wenn wir unterwegs sind. Auch Geheimnisse - aber die verrate ich niemanden. Darauf meine Pfote, nicht einmal Emma, meiner liebsten Hundefreundin.
Nun schlägt Frauchen die Bettdecke zurück. Langsam setzt sie ihre Beine aus dem Bett, angelt nach ihren Birkenstocks. Sie greift einmal in ihren Rücken, reckt sich und steht auf. Ich trotte vor ihr her, sie trottet hinterher in Richtung der Küchenterrassentür. Ich spüre, wie nah sie mir ist. Ihre Nähe umhüllt mich. Sie atmet meine Nähe. Wir sind glücklich.
(c) Annette Gonserowski
11. November 2007
9. November 2007
Herbst
7. November 2007
5. November 2007
3. November 2007
Wenn die Nähe schwindet
1. November 2007
Schau
(c) Christophe Bossu, Silvia Baukloh
Schau,
die Sicht auf die Dinge,
von diesem oder jenem Ort,
wie die Dinge sich ändern,
im Licht oder Schatten,
am Tag oder bei Nacht,
bei Freude oder Grauen.
Schau,
die Dinge,
wie sie die Sicht
verändern,
wie sie uns
verändern,
wie sie die Zeit
verändern.
Schau,
wir,
wie wir die Dinge
verändern,
wie wir die Zeit
verändern,
wie wir uns
verändern.
Schau,
die Zeit -
wie sie alles
verändert.
(c) Annette Gonserowski
Impressionen der Veranstaltung "Grenzüberschreitung" der Künstlergruppe KulturPur
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