Ich möchte dich an dem heutigen Morgen am Meer teilhaben haben lassen.
Es schläft noch fast, das Meer, an
diesem Morgen. Verschlafene Wellen plätschern an den Fels, rollen über Kiesel,
um zu verträumen an Land.
Kiesel, rund wie der Mond, der noch
immer über dem Bergmassiv steht, rund wie die Muttererde, rund wie das All.
Am Himmel schon Venus, hellwach nach
langer Nacht.
Das Meer pastellen in seiner Ruhe,
silbern wie das Haar der Großmutter, zart wie die rosafarbene Haut eines Säuglings,
geheimnisvoll wie das Blau deiner Augen im Morgengrauen.
Unweit ein springender Fisch. Silberner
Augenblick, schon wieder versunken.
Weit hinten am Horizont auf der Straße
von Gibraltar nach Marseille, ein weißes Schiff.
Lautlos zieht es vorbei. Reisende
zwischen Nacht und Tag, zwischen Abend- und Morgenland.
Ganz weit hinten, in der gedachten Linie
von der Landzunge über das Meer, in Höhe der schwarzen Palmwedel, färbt sich
der Himmel rosa.
Warte noch. Einen Augenblick vielleicht.
Schon wird er farbiger. Das Rosa wird dunkler, verfärbt sich zum Purpur,
beginnt nun zu leuchten.
Nachtmüde segelnde Wolken beginnen zu
glänzen.
Strahlenumsäumte Boten des Heute.
Purpurn nun Himmel und Meer.
Dicht auf dem Meer ein Glühen, ein
winziges Halbrund.
Schon wird es größer. Besiegt nun das
Meer, erobert den Himmel. Kreisrunde, nachtrote Sonne. Wegbereiter des neuen
Tages.
Auf dem Meer, auf glitzernden Wellen,
nun ihre Straße. Ihr Ahnen und Werden, ihr Träumen und Wissen.
Verbindung zwischen Nacht und Morgen.
Nun streben die Fischer vom Meer in
Richtung des Hafens.
In langer Reihe ziehen die Boote, weiß
wie die Muscheln auf dem Meeresgrund, weiß wie die Gischt auf den Wellen. Weiß
auch die Möwen darüber, weiß deren fordernder Schrei.
Höher die Sonne am Himmel. Golden bereits,
vertreibt sie den Mond hinter die Felsen des Berges, lässt das Bergmassiv
erstrahlen, auch heute für eine kurze Weile.
Erwacht sind die Wellen, geschwätzig und
rastlos in dieser jungen Zeit.
Ich wende den Schritt.
Dies war meine Stunde, zwischen Schlaf
und Erwachen.
War selbst Gestern und heute.
Gehe nun in diesen Tag.
© Annette
Gonserowski