Rezension des Buches
„INDIEN von innen intensiv“
Es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn ein Autor morgens
mit einem Wort erwacht, das er zunächst nicht zuordnen kann, das ihn sich aber
auf den Weg in ein fernes Land machen lässt.
Das ist die wahre Geschichte, die dem Buch vorausgeht.
Und wirklich: Rainer Thielmann machte sich auf diesen Weg
nach Indien, in den
Bundesstaat Gujarat, Mahatma Gandhis Heimat und Wirkstätte, der dort im “Sarbamati Ashram“ lebte. Von dort brach er
1930 zu seinem legendären Salzmarsch an die Küste auf.
“Indien von innen intensiv”, so lautet der
Titel des Buches, das bei dieser Reise entstand.
In der Tat: es ist ein intensives Buch. Ein wunderbares Buch.
Es steckt voller herrlicher, farbenfroher Fotos und erzählenden Gedichten. Dies Buch zeigt Indien in allen Facetten.
Einerseits Reisebericht, auch Meditationsreise zu sich selbst und für den
geneigten Leser eine Aufforderung zur eigenen Reise nach innen.
Zunächst ist es eine Herausforderung zu entscheiden: zuerst
die großartigen Fotos anzuschauen, oder aber zuerst die Gedichte zu lesen. Ich
habe zuerst die Gedichte gelesen und danach die zugeordneten Fotos angeschaut,
die die Magie der Gedichte trefflich unterstreichen.
Rainer Thielmann ist ein sehr genauer Beobachter, der ebenso
die Schönheit des Landes einfängt, wie Alltagssituationen in den Städten
Indiens. Immer wieder sind es Menschen, die in den Focus der Kamera blicken:
spielende Kinder, arbeitende Männer und Frauen, Meditierende, Liebende.
Es sind die Begegnungen, die den Autor zum Stift und Kamera
greifen lassen, um davon zu berichten. „Wer lächelt, kriegt Besuch./Ein Glück
von den Lippen zu lesen“, heißt eine Zeile eines Gedichtes. Thielmann liest
nicht nur von den Lippen die unbekannte Sprache, er schaut den Menschen ins
Herz. Nur so können die herrlichen Fotos entstanden sein, die sehr genaue
Geschichten erzählen, aber niemals Land und Menschen entblößen.
Wir finden aber auch Gebäude voller Prunk und Schönheit in
dem Buch, ebenso wie die Wellblechhüttensiedlung, über die er schreibt:
„<> die Stadt steht auf der Kippe: Gezeitentide Müll.“
Es sind die unverhofften Gegensätze, die die Gedichte so
reizvoll machen. Schon das erste Gedicht „Morgen in Ahmedabad“ gibt
einen Vorgeschmack auf die laute, pralle
Enge auf den Straßen und ein Gedicht weiter nimmt er uns mit in den
kleinen Innenhof, in dem er Stille findet.
Eines meiner Lieblingsgedichte des Buches ist „Sidi saiyed“, das nicht
nur in Indien Gültigkeit hat, sondern auch uns auffordert, innezuhalten.
Find deine innere Ruhe
Trotz dem Krawall dieser Zeit
Spür deine Knie auf dem Boden
Sei ohne Freude und Leid
Tauben erflattern die Giebel
Töne von überall her
Weich wird dein smartphoner Atem
Lock die Gedanken ins Leer
Lärm foltert die, die ihn hören
Stille erlangt, wer bei sich
Hinter dem Marmor liegt Mekka
Unter dem Baum ein Gedicht.
Nahezu magisch werden die Gedichte, die über Gandhi, sein Leben und
seine Lehre entstanden.
Im Gedicht „Was würden sie tun, Mr. Gandhi…“ lässt er Gandhi antworten:
Könnt ich heute etwas tun,
wär’s noch immer ein Gebet
Fastenheil, ein Schweigetag
Nichts, was auf den Fahnen steht
Und etwas weiter:
Könnt ich heute etwas sehen,
säh ich Indiens Infarkt
Würde leiden wie ein Hund,
der an seinem Schatten nagt.
Könnt ich heute etwas schreiben,
schrieb ich WAHRHEIT groß, gewiss
Würde sprachlos formulieren,
dass Gott in Wahrheit Liebe ist.
Es ist ein großartiges Buch, nach dem ich immer wieder gern greife und
in dem ich immer wieder etwas Neues entdecke, sei es ein Detail auf den Fotos
oder eine Zeile, die je nach Stimmungslage immer wieder eine neue
Interpretation findet.
Dass der Autor uns als Bonus „Sweet, sweet music“, 2 Songs
per Link schenkt, ist zudem eine schöne Geste.
Ich kann das Buch nur empfehlen.
Annette Gonserowski
Rainer Thielmann
INDIEN von innen intensiv
Auf gandhis spuren durch gujarat
128 Seiten
Reiselyrik Verlag, 83128 Halfing
ISBN 978-3-9812583-5-6
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