Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




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30. September 2014

Über mein Schreiben

Auf der Rückseite meines ersten Buches, Foto Marita Albrecht, ca. 1981



In Ordnung

Gestern noch
wollte ich mein Leben
in Ordnung bringen.
Als ich näher hinsah,
fand ich alles in Ordnung:
die Tränen
in zauberhaften Stunden,
die Trauer
vor Freude.
Ich sah
in deine Augen
und fühlte mich wohl
in meiner Unordnung.

Geschrieben ca. 1981


Ein Interview mit einem bekannten Sänger in einer TV-Sendung ließ mich über meinen eigenen Weg nachdenken.

„Immer den eigenen Weg weiter verfolgen…. sich nicht verbiegen, sich nicht entgegen seines Inneren dem Zeitgeist beugen, wahrhaftig bleiben…!“

Wie wahr sind diese Kernaussagen der angeschauten Dokumentation.
Ich kann sie nur bestätigen.

Als mein erstes Gedicht, ansehnlich honoriert, in einer großen Zeitschrift erschien, war ich stolz, aber auch ein wenig scheu, wie das Umfeld in der kleinen Stadt, in der ich lebte und lebe, dieses annehmen würde.

Und tatsächlich, wenige Tage später spürte ich die Meinungen nahezu hautnah:

Die Aussage: „Das, was Sie da machen, ist geistige Prostitution“, ließ mich erschauern.
Auch dass mein Vorgesetzter den Kuchen,  den ich voller Freude aufgrund des Honorars kredenzte, mit den Worten zurückwies: „Ach, dafür gibt es ihn. Danke, dann möchte ich keinen Kuchen.“, machte mich nicht gerade froh.

Dass nach Veröffentlichung meines ersten Buches ein Bekannter den Kontakt mit den Worten: „Nachher schreibst du über mich“ beendete, war eine Station auf dem Weg.

Und so könnte ich noch Vieles aufzählen.

Ich bin meinen Weg gegangen, bin mir treu geblieben. Habe mich nicht gescheut, Verletzlichkeit zu zeigen, auch nicht, Finger schreibend in Wunden zu legen. Ich selbst zu bleiben, das war mit wichtig – anders hätte ich niemals schreiben können. Wie hätte ich über Blumen schreiben können, wenn Krieg mich bedrückte, wie hätte ich Trauer schreiben können, wenn ich vor Glücklichsein nahezu überlief! Ich glaube, man spürte und spürt es noch immer. 


Schreiben bedeutet für mich Befreiung, loszulassen, was in mir ist.

Aufgehört zu schreiben hab ich nie, auch wenn Lyrik zu schreiben an sich schon über viele Zeiten hinweg nicht zeitgeistig war.

Ich habe viel Freude durch das Veröffentlichen erfahren, vielen Menschen begegnen dürfen, einige wurden zu Freunden und Wegbegleitern.
Lange nachdem ich einen Literaturpreis erhielt und mein Vorlass im Westfälischen Literaturarchiv aufgenommen wurde, erhielt ich eine Nachricht, mit dem eine erste Erinnerung gemildert wurde. In ihr hieß es: "... und muss sagen, dass ich mich ein wenig schäme, so wenig davon bzw. darüber in unserer gemeinsamen (Berufs)Zeit aufgenommen zu haben. Aller Respekt vor dieser bisherigen Lebensleistung. Ich habe in deine CD von 1999 hineingehört, ja, da wurde mir einiges bewußter, was ich im schnöden Büroleben nicht registriert hatte."
Ich hab mich darüber gefreut.

Und so werde ich weiter schreiben und hoffe, dass meine Gedichte die Menschen erreichen, die sie erspüren.

Warum Gedichte schreiben

Man fragt:
warum
schreibst Du
Gedichte?

Jetzt
dafür die großen Begriffe finden,
für die Unruhe,
das Sehnen
vor dem ersten Wort.
für das Aufatmen,
die Zufriedenheit
nach dem ersten Satz.

Oder
einfach
die Wahrheit sagen:
es ist in mir.


© Annette Gonserowski

Lesung in Wippekühl 3.9.2014Foto: (c) Björn Othlinghaus - mit freundlicher Genehmigung für diesen Blog.

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