Der Lyriker Michael Starcke, schrieb am 16.12.2014 für "Lyrikwelt", eine umfangreiche Datenbank über LyrikerInnen, die nachstehende Rezension über das Buch "Wortnah".
Da diese Datenbank, die eine wirklich umfassende Dokumentation war, leider aus dem Netz genommen wurde, veröffentliche ich sie hier noch einmal:
"Das Blatt wenden/des Romans in dem/ wir uns
lieben
Das Internet,
oft zu Recht oder Ungerecht gescholten, hat auch sein Gutes, z.B. mit einer Begegnung,
wie dieser: der in Schweden lebende Dichter Gerhard Rombach entdeckte im Netz
Gedichte der im Sauerland lebenden Dichterin
Annette Gonserowski und, ohne sich bis heute jemals persönlich getroffen
zu haben, begannen die Beiden einen poetischen Dialog, indem sie, einem
Briefwechsel ähnlich, mit ihren Gedichten korrespondierten.
So entstand
der vorliegende schöne und liebevoll gestaltete Band „Wortnah“,
Dialog-Gedichte, eine berührende Sammlung von Gedichten und Antwortgedichten,
die uns auf wunderbar seltsame Weise am Zustandekommen einer liebevollen
Freundschaft und dem Austausch geheimster Gedanken, Träume und Wünsche teilhaben
lassen, wie sie wohl jeder aus seinem Leben kennt, ohne unbedingt die Gelegenheit
zu haben, sie einem Gegenüber lyrisch anzuvertrauen und auszudrücken wie die
beiden Dichter Annette Gonserowski und Gerhard
Rombach.
Man darf sie
zu Recht, denke ich, für ein unbescholtenes Liebespaar halten, was sie im
Fühlen und Denken durchaus auf einer höheren platonischen Ebene sind, Herz- und
Seelenverwandte, die ihre Sehnsucht teilen, von einem Menschen vollständig und
vorurteilsfrei verstanden zu werden, um es in Schrift und Wort als Dichtung zu
verewigen.
Dabei kommt es
ihnen nicht auf Effekthascherei an, ihre Triebfeder ist das Vertrauen, den
Anderen genauer kennenzulernen, seine Ängste und Hoffnungen, seine Gedanken,
seine Einstellung zu kleinen und großen Themen, zur Liebe, der Einsamkeit und
dem Tod.
Und so
ähneln diese Gedichte schmalen Erzählungen, in denen der Eine dem Anderen
lyrisch aus seinem Leben berichtet. Übereinstimmungen und Unterschiede finden
sich auf der Grundlage von Wahrhaftigkeit und bedingungsloser Offenheit.
Annette
Gonserowski: „Unsere Worte// Wären wir/ so jung/ wie unsere Worte, / so zeitlos
wie sie/ und so nah- / wir könnten/ einander begegnen.“
Gerhard
Rombach: „Wie zarte Hände umfangen/ mich deine Worte, / malen mir Sehnsucht/ ins
Herz und lassen/ den Tag vergessen“.
Wie
Kostbarkeiten empfinde ich die Gedichte der Beiden, nicht selten wie Notate, im
Vorbeigehen auf kleine Zettel geschrieben, um den Anderen etwas vertraulich
mitzuteilen aus der Ferne, die sie trennt, aber womöglich das Empfinden von
Vertrautheit und Nähe erst möglich macht.
Gerhard
Rombach: „Ungreifbar// Wie könnte ich mich erinnern/ an etwas das niemals war/
Wie könnte ich mich erinnern/ an dich// Ein Hauch Frühling warst du/ eine
Ahnung von Glück/ eine sehnsüchtige Melodie/ ungreifbar.“.
Annette
Gonserowskis Antwort: „Wie je vergessen// Wie könnte ich je vergessen/ meine
Sehnsucht/ in deinen Worten,/ die so nah waren?// Wärme war es/ spürbares
Schwingen,/ Melodie,/ Tanz.// Wie könnte ich dies je vergessen,/ wo mein Herz
den Takt schlägt?“
Klar sind
diese kleinen eindringlichen Texte, frei von Schnörkeln, einfach im besten Sinn
des Wortes, geschmückt mit Metaphern, die eingängig und nachvollziehbar sind, „Silberfäden
ins Haar gestreut“.
Annette
Gonserowski: „Was bin ich dir// Bin ich ein Blatt/ in deiner Hand,/ geliebt,/ gelesen,/ gewendet,/
dem Feuer anvertraut,/ verbrannt,/ zu Asche geworden,/ die der Wind zerstreut?“
Gerhard
Rombach: „Gedankenleser// Du liest in meinen/ Gedanken wie in/ einem offenen Buch// Fühle wie dein
Herz/ wild schlägt -// du hast richtig gelesen.“
Melodiös
sind diese Gedichtem die „Spuren“ beim Lesen hinterlassen, man blättert sie
auf, vor und zurück, liest und liest und entdeckt immer wieder Verse, die
haften bleiben.
Gerhard
Rombach: „Das Blatt wenden// Eine Sprache erfinden/ die nur du verstehst/ ein
Wort das nur/ dir etwas bedeutet// Eine Geste/ vielleicht nur/ ein Blick oder
eine/ flüchtige Berührung// Das Blatt wenden/ des Romans in dem/ wir uns lieben.
Annette
Gonserowski: „Wort// Dieses/ eine Wort finden// es denken/ wieder/ und wieder/
und weder// es dir sagen/ Silbe/ für Silbe// bewahrend.“
„Goldflimmer
in der Seele“, heißt es bei Gerhard Rombach an einer Stelle und kein Bild
könnte besser geeignet sein, diese Dialoggedichte zwischen Dichterin und
Dichter zu charakterisieren.
Zwei
ungewöhnliche Menschen haben sich mit dem Wort im Wort gefunden, ohne gesucht
zu haben. Vielleicht war es der Zufall, der sie zu ihrem Diskurs zusammengeführt
hat oder aber ihr unterschiedliches Dichterschicksal, wer weiß?
Was an
Poesie daraus entstanden ist, sei allen empfindsamen Leserinnen ans Herz
gelegt. Es wird ihre Sicht auf die Dinge erweitern, vielleicht auch verändern.
Annette Gonserowski: „Spuren// Was wurde/ aus den Träumen:/ das Leben,/ mit Menschen,/ die kamen und gingen.// Du bliebst!// Deine Spur/ in meiner Herzwand,/ sie bebt,/ bei jeder Nachricht/ über eines Fremden Tod“
Michael Starcke"
16.12.2014
Gerhard Rombach starb am 05.01.2021
Michael Starcke, ein hervorragender und mit vielen Preisen ausgezeichnter Lyriker, starb am 19.2.2016
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Starcke
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