Der Besuch der Freundin
Ich merke es sofort:Frauchens Freundin ist am Telefon. Schon bevor sie den Hörer aus der Ladestation nimmt, sieht sie es auf dem Display. Ihre Augen strahlen dann und schnell nimmt sie den Hörer in die Hand, damit das Gespräch nicht auf den Anrufbeantworter umgeleitet wird. Ihre Stimme bekommt dann ein leichtes Zwitschern, fast so wie das der Amsel, die morgens vor meinem Fenster singt.Wenn es möglich ist, setzt sie sich dann in den Lesesessel, legt entspannt die Füße auf den Tisch. Das sollte ich mal machen!!! Manchmal angelt sie nach einer Süßigkeit, um sie genüsslich anzuknabbern. Dann ist Wohlbehagen pur angesagt. Dann kann das Gespräch schon mal etwas länger dauern, so dass ich mich entspannt vor ihre Füße lege, manchmal mit geschlossenen Augen zuhöre, ihr hin und wieder zublinzle, je nachdem, was sie der Freundin erzählt. Oft schlafe ich dann ein, ganz friedlich. Mir kann nichts passieren: Frauchen ist da.
Nach so einem Telefongespräch geschieht es, dass wenige Tage danach ein ungemütliches Treiben beginnt. Frauchen beginnt aufzuräumen. Auf dem Wohnzimmertisch, genau vor Frauchens Lesesessel, liegt meist ein Stapel aus Büchern, dem neusten Fokus, der Brigitte Women, Briefen, Einladungen zu Vernissagen und sogar ein Ausdruck der Sonntagspredigt aus der Margaretenkirche, die ihr der Pfarrer regelmäßig mailt. Das sortiert sie: Bücher wandern in das Regal oder werden auf den Bücherstapel auf dem Schrank gelegt. Prospekte landen im Papiermüll, Zeitschriften werden zum Zwillingsbruder gebracht, damit er sie noch lesen kann. Einige Dinge legt sie auf die Ablage unterhalb der Tischplatte, um sie später noch einmal lesen zu können. Das geschieht vielleicht später irgendwann. Wenn die Ablage zu voll wird, holt Frauchen eine Klappkiste, füllt sie und trägt sie an den Papiercontainer. Das könnte sie doch sofort machen. Ich versteh sie nicht.
Aber nicht genug damit: Frauchen geht in das Gästezimmer, das eigentlich unser Zimmer ist: ihres und meines. Da steht ihr Computer und ich liebe es, wenn Frauchen an dem Computer sitzt und schreibt. Dann ist eine ruhige Atmosphäre, die mich wunderbar in sanfte Träume trägt. Auf dem Gästebett stapeln sich auch viele Dinge: Ausdrucke aus dem Internet, seitenweise neue Gedichte, Bücher, Unterlagen vom Autorenkreis. Das sortiert Frauchen und räumt sie fort und das Bett ist frei. Dann denke ich: "Fein, meine Stunde ist gekommen: jetzt kann ich auf das Bett". Aber falsch gedacht. Ich bekomme totales Bettverbot. Das Bettzeug wird aus dem Schrank geholt und aufgeschüttelt. Flauschige Bezüge werden darüber gezogen. Alles wird ordentlich hergerichtet. Wenn Frauchen dann mit dem Putzeimer das Zimmer verlässt, dann würde ich gern in dem Zimmer bleiben und einfach nur genießen. Aber Frauchen schiebt mich sanft aus dem Zimmer, schließt die Tür und damit ist die Herrlichkeit für mich beendet. Dann bleibt die Tür geschlossen und ich hab nicht einmal die Gelegenheit, am Tag, wenn ich allein bin, heimlich in das Zimmer zu gehen und dort zu schlafen. Das mach ich nämlich gern, denn im Zimmer ist immer ein leichter Duft von Frauchen.
Wenige Tage nachdem dies alles gerichtet ist, kommt Frauchen mit Taschen bepackt vom Einkaufen. Ich begrüße sie dann schon an der Tür und schnuppere neugierig an den Taschen. Meist ist in diesen eine Leckerei für mich: köstlicher, getrockneter Pansen oder getrocknete Fleischstreifen, die ich so gerne knabbere. Die gibt Frauchen mit oft, wenn ich allein zu Hause bleiben muss, als Trost sozusagen oder als Belohnung, wenn ich brav war. Aber auch als Betthupferl, wenn ich abends an ihr Bett gehe, um ihr "gute Nacht" zu sagen, oder morgens "guten Morgen." Frauchen weiß schon, was ich mag.
Diese Tüten trägt sie dann in die Küche. Ich gehe hocherhobenen Hauptes hinterher, die Rute freundlich wedelnd hoch über dem Rücken getragen. Frauchen verstaut alles im Kühlschrank und in den Obstschalen. Wenig später kann man die Töpfe und Pfannen klappern hören, die sie auf den Herd stellt. Und dann durchzieht ein Duft von Gebratenem und Gekochtem das Haus, dass ich gar keine Lust mehr habe, die Küche zu verlassen. Ich bin Frauchens Küchenchef und koste das Essen. Sie schaut mir immer aufmerksam ins Gesicht, wenn ich ein Stückchen probiere. Wenn ich es nicht fresse, wird Frauchen sehr nachdenklich, probiert noch einmal die Speise, schwingt den Salzstreuer über die Töpfe, dreht an der Pfeffermühle.
Später stellt die alles in den kühlen Vorratsraum.
Und dann naht der große Tag, der eine schöne Zeit einläutet, in der wir gemeinsam Spaziergänge in die Wälder des Sauerlandes machen und bis in die Nacht hinein plaudern werden. Die Zeichen sind eindeutig: der Esszimmertisch bekommt ein Tischtuch. Nicht "ein" Tischtuch, nein ein ganz bestimmtes: ein beige-braun gemustertes, das über den ausgezogenen Tisch gelegt wird. Das hat die Freundin genäht. Die Platzsets werden darauf drapiert, Geschirr und Besteck und eine Vase mit duftenden Blumen.
Dann weiß ich: nun ist der Tag da!
Frauchen hatte schon ihr Handy ans Ohr genommen und telefoniert. Sie weiß genau, wann was geschieht. Ich aber nicht. Ich muss aufpassen.
Ich lege mich dann erwartungsvoll in mein Körbchen, den Blick aufmerksam zur Tür gerichtet, die Ohren gespitzt: wirklich: irgendwann an diesem Tag passiert es: ein Auto fährt vor. Ich kenne das Geräusch aus tausenden: es ist das Auto der Freundin! Dann läuft Frauchen zur Tür: die Wangen vor Freude gerötet. Sie putzt die Hände noch schnell am Küchentuch ab, wirft das Küchentuch achtlos auf den Stuhl, denn natürlich war sie in der Küche und hat das Essen fertiggemacht.
Die Tür bleibt weit geöffnet, Frauchen läuft die Treppe hinunter, ich hinterher: das Auto steht neben dem Haus, genau vor der Tür des Pferdestalles. Die Autotür ist geöffnet, ein Bein der Freundin ist schon draußen. Der Reisekorb mit Muschi, der Schildkröte steht schon davor. Ich beschnuppere den Korb aufgeregt. Jetzt steigt sie aus. Frauchen läuft auf sie zu. Sie umarmen sich. Doch ich habe es gesehen: eine Hand hat die Freundin ausgestreckt: sie hält etwas in der Hand! Die Hand geht in Richtung meiner neugierig schnuppernden Schnauze: ich nehme das leckere Mitbringsel und freue mich: jetzt ist sie da!!
(c) Annette Gonserowski
Ich merke es sofort:Frauchens Freundin ist am Telefon. Schon bevor sie den Hörer aus der Ladestation nimmt, sieht sie es auf dem Display. Ihre Augen strahlen dann und schnell nimmt sie den Hörer in die Hand, damit das Gespräch nicht auf den Anrufbeantworter umgeleitet wird. Ihre Stimme bekommt dann ein leichtes Zwitschern, fast so wie das der Amsel, die morgens vor meinem Fenster singt.Wenn es möglich ist, setzt sie sich dann in den Lesesessel, legt entspannt die Füße auf den Tisch. Das sollte ich mal machen!!! Manchmal angelt sie nach einer Süßigkeit, um sie genüsslich anzuknabbern. Dann ist Wohlbehagen pur angesagt. Dann kann das Gespräch schon mal etwas länger dauern, so dass ich mich entspannt vor ihre Füße lege, manchmal mit geschlossenen Augen zuhöre, ihr hin und wieder zublinzle, je nachdem, was sie der Freundin erzählt. Oft schlafe ich dann ein, ganz friedlich. Mir kann nichts passieren: Frauchen ist da.
Nach so einem Telefongespräch geschieht es, dass wenige Tage danach ein ungemütliches Treiben beginnt. Frauchen beginnt aufzuräumen. Auf dem Wohnzimmertisch, genau vor Frauchens Lesesessel, liegt meist ein Stapel aus Büchern, dem neusten Fokus, der Brigitte Women, Briefen, Einladungen zu Vernissagen und sogar ein Ausdruck der Sonntagspredigt aus der Margaretenkirche, die ihr der Pfarrer regelmäßig mailt. Das sortiert sie: Bücher wandern in das Regal oder werden auf den Bücherstapel auf dem Schrank gelegt. Prospekte landen im Papiermüll, Zeitschriften werden zum Zwillingsbruder gebracht, damit er sie noch lesen kann. Einige Dinge legt sie auf die Ablage unterhalb der Tischplatte, um sie später noch einmal lesen zu können. Das geschieht vielleicht später irgendwann. Wenn die Ablage zu voll wird, holt Frauchen eine Klappkiste, füllt sie und trägt sie an den Papiercontainer. Das könnte sie doch sofort machen. Ich versteh sie nicht.
Aber nicht genug damit: Frauchen geht in das Gästezimmer, das eigentlich unser Zimmer ist: ihres und meines. Da steht ihr Computer und ich liebe es, wenn Frauchen an dem Computer sitzt und schreibt. Dann ist eine ruhige Atmosphäre, die mich wunderbar in sanfte Träume trägt. Auf dem Gästebett stapeln sich auch viele Dinge: Ausdrucke aus dem Internet, seitenweise neue Gedichte, Bücher, Unterlagen vom Autorenkreis. Das sortiert Frauchen und räumt sie fort und das Bett ist frei. Dann denke ich: "Fein, meine Stunde ist gekommen: jetzt kann ich auf das Bett". Aber falsch gedacht. Ich bekomme totales Bettverbot. Das Bettzeug wird aus dem Schrank geholt und aufgeschüttelt. Flauschige Bezüge werden darüber gezogen. Alles wird ordentlich hergerichtet. Wenn Frauchen dann mit dem Putzeimer das Zimmer verlässt, dann würde ich gern in dem Zimmer bleiben und einfach nur genießen. Aber Frauchen schiebt mich sanft aus dem Zimmer, schließt die Tür und damit ist die Herrlichkeit für mich beendet. Dann bleibt die Tür geschlossen und ich hab nicht einmal die Gelegenheit, am Tag, wenn ich allein bin, heimlich in das Zimmer zu gehen und dort zu schlafen. Das mach ich nämlich gern, denn im Zimmer ist immer ein leichter Duft von Frauchen.
Wenige Tage nachdem dies alles gerichtet ist, kommt Frauchen mit Taschen bepackt vom Einkaufen. Ich begrüße sie dann schon an der Tür und schnuppere neugierig an den Taschen. Meist ist in diesen eine Leckerei für mich: köstlicher, getrockneter Pansen oder getrocknete Fleischstreifen, die ich so gerne knabbere. Die gibt Frauchen mit oft, wenn ich allein zu Hause bleiben muss, als Trost sozusagen oder als Belohnung, wenn ich brav war. Aber auch als Betthupferl, wenn ich abends an ihr Bett gehe, um ihr "gute Nacht" zu sagen, oder morgens "guten Morgen." Frauchen weiß schon, was ich mag.
Diese Tüten trägt sie dann in die Küche. Ich gehe hocherhobenen Hauptes hinterher, die Rute freundlich wedelnd hoch über dem Rücken getragen. Frauchen verstaut alles im Kühlschrank und in den Obstschalen. Wenig später kann man die Töpfe und Pfannen klappern hören, die sie auf den Herd stellt. Und dann durchzieht ein Duft von Gebratenem und Gekochtem das Haus, dass ich gar keine Lust mehr habe, die Küche zu verlassen. Ich bin Frauchens Küchenchef und koste das Essen. Sie schaut mir immer aufmerksam ins Gesicht, wenn ich ein Stückchen probiere. Wenn ich es nicht fresse, wird Frauchen sehr nachdenklich, probiert noch einmal die Speise, schwingt den Salzstreuer über die Töpfe, dreht an der Pfeffermühle.
Später stellt die alles in den kühlen Vorratsraum.
Und dann naht der große Tag, der eine schöne Zeit einläutet, in der wir gemeinsam Spaziergänge in die Wälder des Sauerlandes machen und bis in die Nacht hinein plaudern werden. Die Zeichen sind eindeutig: der Esszimmertisch bekommt ein Tischtuch. Nicht "ein" Tischtuch, nein ein ganz bestimmtes: ein beige-braun gemustertes, das über den ausgezogenen Tisch gelegt wird. Das hat die Freundin genäht. Die Platzsets werden darauf drapiert, Geschirr und Besteck und eine Vase mit duftenden Blumen.
Dann weiß ich: nun ist der Tag da!
Frauchen hatte schon ihr Handy ans Ohr genommen und telefoniert. Sie weiß genau, wann was geschieht. Ich aber nicht. Ich muss aufpassen.
Ich lege mich dann erwartungsvoll in mein Körbchen, den Blick aufmerksam zur Tür gerichtet, die Ohren gespitzt: wirklich: irgendwann an diesem Tag passiert es: ein Auto fährt vor. Ich kenne das Geräusch aus tausenden: es ist das Auto der Freundin! Dann läuft Frauchen zur Tür: die Wangen vor Freude gerötet. Sie putzt die Hände noch schnell am Küchentuch ab, wirft das Küchentuch achtlos auf den Stuhl, denn natürlich war sie in der Küche und hat das Essen fertiggemacht.
Die Tür bleibt weit geöffnet, Frauchen läuft die Treppe hinunter, ich hinterher: das Auto steht neben dem Haus, genau vor der Tür des Pferdestalles. Die Autotür ist geöffnet, ein Bein der Freundin ist schon draußen. Der Reisekorb mit Muschi, der Schildkröte steht schon davor. Ich beschnuppere den Korb aufgeregt. Jetzt steigt sie aus. Frauchen läuft auf sie zu. Sie umarmen sich. Doch ich habe es gesehen: eine Hand hat die Freundin ausgestreckt: sie hält etwas in der Hand! Die Hand geht in Richtung meiner neugierig schnuppernden Schnauze: ich nehme das leckere Mitbringsel und freue mich: jetzt ist sie da!!
(c) Annette Gonserowski
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