Eigene Lyrik, Fotos und Bilder
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21. November 2007
Hündchens (Aus-) Plauderei
Tarnfarbe...
Frauchen und ihr Küchenmesser
Frauchen liebt mich - und Frauchen liebt ihr Küchenmesser.
So ein kleines, ganz normales Küchenmesser, mit dem man Kartoffeln schälen kann.
Das sage ich. Aber da müsst Ihr mal Frauchen hören. Für die ist das etwas ganz Besonderes.
Sie hatte eins, das hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Es hatte einen hölzernen Griff und eine kurze Klinge, die immer rasiermesserscharf geschliffen war. Das Messer hütete sie wie einen Augapfel. Der Griff war schon sehr dunkel geworden, vom vielen Anfassen und Spülen. Die Klinge war schon sehr dünn vom vielen Wetzen mit dem Wetzstab.
Irgendwann hat dieses Messer der Gang aller Dinge ereilt: es fiel einfach auseinander. Frauchen hat sich das Malheur von allen Seiten betrachtet, es schweren Herzens in den Müll geworfen und war traurig.
Man schenkte ihr ein neues Messer. So ein Küchenmesser, wie man es in jedem Supermarkt kaufen kann. Das war natürlich kein Vergleich und so stand Frauchen missmutig in der Küche und schälte die Kartoffeln und Äpfel so dick wie des Messers Schneide - die war sehr dick.
"Meine Großmutter schälte die Äpfel so hauchdünn, dass man durch die Schale schauen konnte", erzählte sie mir, "und sie war an einem Stück."
Ich wunderte mich: war es wichtig, die Äpfel und Kartoffeln so dünn zu schälen? Mir war es egal, denn weder Kartoffeln noch Äpfel gehören zu meiner Lieblingsspeise.
"Ja", erklärte mir Frauchen, "unter der Schale sind die meisten Vitamine."
Wenn sie es glaubt, glaube ich es ihr gern.
Frauchen fuhr mit ihrer Cousine nach Hagen in die Großstadt.
Zielsicher ging sie in den Tchiboladen, wo es verführerisch nach frisch geröstetem Kaffee roch. Aber weit gefehlt: Kaffee war nicht ihr Begehren, sondern die Sonderangebote, die an den Wänden des Ladens ausgestellt waren. Mit leuchtenden Augen nahm sie eine Packung von dem Verkausständer. Durch die Folie konnte man es sehen: ein Küchenmesser aus Edelstahl mit gebogener Klinge war darin. Eine gebogene Klinge, das war neu. Aber Frauchen, mutig für Neues, wollte das Wagnis eingehen. Der stolze Preis ließ Frauchen einmal schlucken, doch der Gedanke an hauchdünne Kartoffelschalen ließ sie nicht zögern.
"Immerhin ist es ein Kauf für's Leben", sagte sie sich und fuhr fröhlich mit diesem Prachtstück von Messer nach Hause.
Die Enttäuschung folgte auf dem Fuß. Das Messer erwies sich als zu unhandlich und klobig und ebenso sahen die Schalen aus.
Frauchens Frust blieb natürlich nicht verborgen. Man schenkte ihr ein neues Messer, das zwar nicht dem Vergleich mit dem alten Messer standhielt, aber immerhin gut zu handhaben war.
Als Frauchen in der Papiermülltonne zerschnittene Kartons liegen sah, ahnte sie Böses, und richtig: man hatte ihr Küchenmesser benutzt, die dicken Pappen der Kartons durchzuschneiden.
Mit klopfendem Herzen zog sie die Küchenschublade auf: da lag ihr Messer in dem Messerfach, unscharf, mit an der Klinge ausgebrochenen Ecken . Frauchen war sauer! Ihr Messer war ruiniert.
Einige Zeit später besuchte Frauchen das Haushaltswarengeschäft im Nachbarort. Sie wollte schon wieder das Geschäft verlassen, als ihr Blick auf ein Schild in der Nähe der Kasse fiel: "Wir nehmen ihr altes Küchenmesser in Zahlung und rechnen 5 Euro auf ein neues an."
Frauchen stutzte, war wie elektrisiert und schaute begierlich in Richtung der ausgestellten Küchenmesser. Sie hingen in allen Größen und Formen an einer Schauwand. Der Haushaltswarenhändler hatte ihren Blick bemerkt und reagierte rasch: "Ja, das sind tolle Messer" sagte er beflissen und legte Frauchen eins in die Hand.
Das war ei n Messer! Genau das, was Frauchen sich immer vorgestellt hatte: Ein Messer aus Edelstahl der Nobelmarke WMF aus dem schwäbischen Ländle! Schwaben sagt man Sparsamkeit nach, sie sagen, dass sie nicht reich genug sind, um sich billge Produkte zu kaufen. Ein dort hergestelltes Messer ist eine Investition für ein ganzes Leben.
Frauchens Augen glänzten: "Ja, so ein schönes Küchenmesser, das ist mein Traum."
"Dann kaufen Sie es sich doch" bestätigte der Händler Frauchens Verlangen.
"Ja, aber.... es ist sicher sehr teuer."
"Dafür hält es aber auch ewig. Und wir schleifen es Ihnen hier scharf, wenn es einmal stumpf werden sollte."
Das war ein Argument. Frauchen hielt das Messer abwägend in der Hand. In den Griff, der von der Klinge in einem Stück überging, waren Seiten aus hochwertigem, schwarzen Kunststoff eingelassen. die sich der Handfläche anpassten. Einige, durchtriebene, zweckvolle Edelstahlnieten ließen es edel erscheinen.
"Ich lasse Ihnen die 5 Euro nach. Das alte Messer können Sie mir irgendwann einmal bringen." Der Einzelhändler schaute Frauchen beflissen an.
Frauchen seufzte noch einmal, zückte ihre Geldbörse, der Geldschein und das Messer wechselten die Besitzer.
Frauchens Zwilling war zu Besuch, als sie das Messer auspackte. Er, der ein begnadeter Koch ist, sah sofort, was für einen Schatz Frauchen da heimgebracht hatte.
"Darf ich es mal sehen", fragte er und gerne überließ Frauchen das Messer seinem Kennerblick.
Das war ein Messer!!! Ja, wirklich. Der Zwilling betrachtete es voller Bewunderung.
"Schau, " sagte er: "Es ist aus Edelstahl. Hier auf der Klinge steht die Legierung."
Und schon las er die Zusammensetzung erklärend vor.
Das Messer ist wirklich ein Traum.
Seit diesem Tag versteckt Frauchen das Messer in einer hinteren Ecke einer Schublade, unter den Schneidebrettchen und einem gestrickten Eierwärmer, den die Schwägerin ihr vor vielen Jahren einmal von Wyck auf Föhr mitbrachte.
Wenn Frauchen auch gern Vieles teilt, sogar manchmal mich: dieses Messer ist ihres. Ganz allein ihres.
Ich war schon ein wenig eifersüchtig auf das Messer, bis dass mir klar wurde, dass ich niemals in einer Schublade versteckt werden möchte.
Frauchen erteilte absolutes Benutzungsverbot an alle Familienmitglieder. Sie halten sich daran und schauen ein wenig neidisch auf dieses Messer. Ich aber sehe abends Frauchens glückliches Lächeln, wenn sie einen Apfel aus der Obstschale nimmt und ihn schält. Hauchdünne, aneinanderhängende Schalen, durch die man das Licht schimmern sieht.
(c) Annette Gonserowski
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